Das Gesetz — pervertiert!
Das Gesetz — und mit ihm die Kollektivgewalt der Nation — das Gesetz, sage ich, nicht nur seinem Ziel entfremdet, sondern eingesetzt, ein ganz gegenteiliges Ziel zu verfolgen!
Das Gesetz als Instrument aller Begehrlichkeiten, anstatt ihr Zügel zu sein!
Das Gesetz selbst als Vollzieher der Ungerechtigkeit, welche zu bestrafen seine Aufgabe war!
Sicherlich ist dies ein schwerwiegender Tatbestand, wenn er besteht, weshalb es mir erlaubt sein muss, die Aufmerksamkeit meiner Mitbürger auf ihn zu richten.
Wir erhalten von Gott das Geschenk, das für uns alle anderen einschließt: das Leben — das körperliche, geistige und moralische Leben. Aber das Leben erhält sich nicht von selbst. Der es uns gegeben hat, hat uns die Sorge übertragen, es zu erhalten, weiterzuentwickeln, es zu vervollkommnen.
Dafür hat er uns mit vielen wunderbaren Fertigkeiten versehen; er hat uns in ein Umfeld verschiedenster Elemente gesetzt. Durch die Anwendung unserer Fertigkeiten auf diese Elemente ereignet sich das Phänomen der Aneignung, des Erwerbs, mit dem das Leben seinen ihm bestimmten Kreis durchläuft.
Existenz, Fertigkeiten, Erwerb — mit anderen Worten: Persönlichkeit, Freiheit, Eigentum. Sieh da: der Mensch.
Diese drei Dinge sind es, von denen wir fern aller Demagogie sagen können, dass sie aller menschlichen Gesetzgebung vorhergehen und darüber stehen.
Nicht weil die Menschen Gesetze erlassen haben, gibt es Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum. Im Gegenteil, weil Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum vorherbestehen, erlassen die Menschen Gesetze.
Was ist also das Gesetz? Wie ich es schon anderweitig gesagt habe, ist es die gemeinschaftliche Organisation des individuellen Rechtes auf legitime Verteidigung.
Jeder von uns hat sicher von Natur — von Gott — das Recht, seine Person zu verteidigen, seine Freiheit, sein Eigentum. Denn dies sind die drei grundlegenden oder bewahrenden Elemente des Lebens, Elemente, die einander ergänzen, und die man nicht von einander trennen kann. Denn was sind unsere Fertigkeiten, wenn nicht ein Ausdruck unserer individuellen Persönlichkeit, und was ist das Eigentum, wenn nicht ein Ausdruck unserer Fertigkeiten?
Wenn jeder Mensch das Recht hat, seine Person, seine Freiheit, sein Eigentum sogar mit Gewalt zu verteidigen, so haben mehrere Menschen das Recht, sich abzusprechen, sich zu verständigen, eine Kollektivgewalt zu bilden, um geregelt für diese Verteidigung zu sorgen.
Das kollektive Recht hat daher sein Prinzip, seine Daseinsberechtigung, seine Legitimation im individuellen Recht; und die Kollektivgewalt kann vernünftiger Weise kein anderes Ziel, keine andere Aufgabe haben, als die Einzelkräfte, die sie ersetzt.
Ebenso wie die Gewalt eines Individuums nicht legitim auf die Person, die Freiheit, das Eigentum eines anderen Individuums übergreifen kann, kann aus dem selben Grund die Kollektivgewalt nicht legitim angewendet werden, um die Person, die Freiheit, das Eigentum von Individuen oder Klassen zu zerstören.
Denn diese Perversion der Macht wäre, in dem einen wie dem anderen Fall, im Widerspruch mit unseren Prämissen. Wer wird zu sagen wagen, dass uns die Gewalt gegeben ist, nicht um unsere Rechte zu verteidigen, sondern um die gleichen Rechte unseren Brüdern zu verweigern? Und wenn dies für jede individuelle Gewalt, die isoliert handelt, nicht richtig ist, wie könnte es bei der Kollektivgewalt wahr sein, die nur die organisierte Vereinigung von Einzelkräften ist.
Wenn also etwas klar ist, dann das Folgende: Das Gesetz ist die Organisation des natürlichen Rechtes auf legitime Verteidigung, es ist die Ablösung der individuellen Gewalt durch eine Kollektivgewalt, um in dem Bereich zu handeln, wo die individuelle Gewalt das Recht hat zu handeln, um das zu tun, was jene tun darf, um Personen, Freiheit, Eigentum zu garantieren, um jedem sein Recht zu wahren, um zwischen allen die GERECHTIGKEIT herrschen zu lassen.
Und existierte ein Volk, das auf dieser Basis gegründet ist, dann scheint mir dort Ordnung zu herrschen, in Taten wie in Gedanken. Es scheint mir, dies Volk hätte die einfachste Regierung, die billigste, am wenigsten drückende, am wenigsten spürbare, am wenigsten verantwortliche, die gerechteste, und folglich stabilste, die man sich vorstellen kann, was auch immer im Übrigen ihre Staatsform wäre.
Denn unter einer solchen Herrschaft verstünde jeder wohl, dass er alle Möglichkeiten wie auch die ganze Verantwortung für seine Existenz trägt. Wenn nur die Person respektiert wäre, die Arbeit frei und die Früchte der Arbeit gegen jeden ungerechten Zugriff gesichert, hätte niemand mit dem Staat zu schaffen. Im Glück freilich hätten wir nicht ihm für unseren Erfolg zu danken, das ist wahr; aber im Unglück rechneten wir unser Scheitern ihm genauso wenig zu, wie unsere Bauern ihm den Hagel oder den Nachtfrost zuschreiben. Wir würden ihn nur für das unschätzbare Gut der SICHERHEIT kennen.
Es ist auch sichergestellt, dass sich — weil der Staat nicht in die privaten Angelegenheiten eingreift — die Bedürfnisse und ihre Befriedigung in natürlicher Weise entwickeln. Arme Familien strebten keine literarische Unterrichtung an, bevor sie Brot haben. Die Stadt wüchse nicht auf Kosten des Landes oder das Land auf Kosten der Städte. Es gäbe nicht so große Fehlallokationen von Kapital, Arbeit und Bevölkerung, wie sie durch gesetzliche Maßnahmen hervorgerufen werden, Fehlleitungen, die selbst die lebensnotwendige Versorgung so unsicher, so heikel machen und dadurch die Regierungen mit so außerordentlich schwerer Verantwortung belasten.
Unglücklicherweise hat sich das Gesetz nicht auf seine Rolle beschränkt. Es hat sich davon nicht einmal nur in neutraler und diskutabler Absicht davon entfernt. Es hat Schlimmeres getan: Es hat seinem eigentlichen Zweck entgegen gehandelt; es hat sein eigentliches Ziel zerstört; es hat sich verwenden lassen, die Gerechtigkeit zu verweigern, die es zur Geltung bringen sollte, jene Grenze zwischen den Rechten auszulöschen, der es Respekt verschaffen sollte; es hat die Kollektivgewalt denen dienstbar gemacht, die ohne Risiko und ohne Skrupel die Person, die Freiheit oder das Eigentum der anderen ausbeuten wollen; es hat den Raub in Recht verwandelt, um ihn zu schützen, und die legitime Verteidigung in ein Verbrechen, um es zu bestrafen.
Wie hat sich diese Perversion des Gesetzes vollzogen? Was waren ihre Folgen?
Das Gesetz hat sich pervertiert aus zwei ganz verschiedenen Gründen: aus primitivem Egoismus und falscher Menschenliebe.
Reden wir von dem Ersten.
Sich zu erhalten, sich zu entwickeln, sind alle Menschen gleichermaßen bestrebt, so sehr dass, wenn nur jeder die freie Ausübung seiner Fertigkeiten und die freie Verfügung über ihre Produkte genösse, der soziale Fortschritt unaufhörlich wäre, ununterbrochen, unfehlbar.
Aber es gibt eine andere Neigung, die auch alle gleichermaßen haben. Dies ist, wenn möglich, auf Kosten anderer zu leben und weiterzukommen. Ich unterstelle dies nicht einfach mal so in vergrämter, pessimistischer Laune. Die Geschichte zeugt davon: mit unaufhörlichen Kriegen, Völkerwanderungen, kirchlicher Unterdrückung, allgemeiner Verbreitung der Sklaverei, industriellen Betrugsfällen und Monopolen; Dinge, von denen ihre Annalen voll sind.
Diese verhängnisvolle Neigung liegt in der Verfassung des Menschen selbst, in diesem Gefühl – primitiv, universell, unüberwindlich – das ihn zum Wohlbefinden drängt und den Schmerz meiden lässt.
Der Mensch kann nur leben und genießen durch beständige Aneignung, durch beständigen Erwerb, das heißt durch eine beständige Anwendung seiner Fertigkeiten auf die Dinge, anders gesagt durch Arbeit. Daher das Eigentum.
Jedoch kann er tatsächlich leben und genießen, indem er sich die Produkte der Fertigkeiten von seinesgleichen aneignet und sie für sich verwertet. Daher der Raub.
Nun, da die Arbeit an sich eine Qual ist, und der Mensch natürlich geneigt, die Qual zu meiden, so führt dies dazu – die Geschichte bezeugt es — dass überall, wo der Raub weniger mühsam ist als die Arbeit, er auch Überhand nimmt; er nimmt Überhand, ohne dass Religion oder Moral ihn dann daran hindern könnten.
Wann also hört der Raub auf? Wenn er mühsamer, gefährlicher wird als die Arbeit.
Ganz offensichtlich war es Ziel des Gesetzes, dieser verhängnisvollen Neigung das mächtige Hindernis der Kollektivgewalt entgegenzusetzen; es sollte Partei nehmen für das Eigentum und gegen den Raub.
Aber das Gesetz wird meistens von einem Mann oder von einer Klasse von Menschen gemacht. Und weil das Gesetz nicht ohne Sanktion existiert, nicht ohne Sicherung durch eine überlegene Gewalt, kann es nicht ausbleiben, dass es diese Gewalt schließlich in die Hände derer legt, die Gesetze erlassen.
Dieses unvermeidbare Phänomen, in Verbindung mit der verhängnisvollen Neigung, die wir im menschlichen Herzen aufgefunden haben, erklärt die fast allgemeine Perversion des Gesetzes. Anstatt ein Zügel für die Ungerechtigkeit zu sein wird es zu einem Instrument und dem unbezwingbarsten Instrument der Ungerechtigkeit. Offenbar zerstört es – je nach Macht des Gesetzgebers – zu dessen Vorteil den übrigen Menschen in unterschiedlichem Grade die Persönlichkeit durch Sklaverei, die Freiheit durch Unterdrückung, das Eigentum durch Raub.
Es liegt in der Natur der Menschen, sich gegen die Ungerechtigkeit zu wehren, deren Opfer sie sind. Solange daher die Ausbeutung durch das Gesetz zum Vorteil der Klassen, die es erlassen, organisiert ist, neigen alle ausgebeuteten Klassen dazu auf friedlichem oder revolutionärem Wege auch ein bißchen auf die Gestaltung des Gesetzes Einfluss zu nehmen. Diese Klassen können, je nach dem Grad der Aufklärung, zu dem sie gelangt sind, sich zwei ganz verschiedene Ziele setzen, wenn sie die Eroberung ihrer politischen Rechte verfolgen: Entweder wollen sie den legalen Raub aufhören lassen oder sie wollen daran teilnehmen.
Unglück, dreimal Unglück für die Nationen, wo dieser letztere Gedanke unter den Massen vorherrscht, wenn sie sich ihrerseits der legislativen Macht bemächtigen!
Bis jetzt hat sich der legale Raub von der kleinen Zahl gegen die große Zahl manifestiert, wie man es bei Völkern sieht, wo das Recht Gesetz zu geben in wenigen Händen konzentriert ist. Doch nun liegt dieses Recht bei allen, und wir suchen das Gleichgewicht in dem allgemeinen Raub. Anstatt auszumerzen, was die Gesellschaft an Ungerechtigkeit enthielt, verallgemeinern wir sie. Sobald die enterbten Klassen ihre politischen Rechte entdeckten, war der erste Gedanke, der sie ergriff, nicht, sich von dem Raub zu befreien (das setzte bei ihnen Einsicht voraus, die sie nicht haben konnten), sondern vielmehr gegen die anderen Klassen und zu ihrem eigenen Nachteil ein System von Repressalien zu organisieren, – als müsste bevor das Reich der Gerechtigkeit kommt, alle eine grausame Vergeltung treffen, die einen wegen ihrer Ungerechtigkeit, die anderen wegen ihrer Unwissenheit.
Es konnte also in der Gesellschaft keine größere Veränderung und kein größeres Unglück aufkommen als dieses: Die Wandlung des Gesetzes in ein Instrument des Raubes.
Was sind die Auswirkungen einer solchen Verwirrung? Es bräuchte Bände, um sie alle zu beschreiben. Geben wir uns zufrieden, die brennendsten zu nennen.
Die erste ist, dass die Menschen den Sinn für Recht und Unrecht verlieren.
Keine Gesellschaft kann existieren, wenn dort nicht in gewissem Grade Respekt vor den Gesetzen herrscht. Aber am sichersten werden die Gesetze respektiert, wenn sie respektabel sind. Wenn Gesetz und Moral einander widersprechen, findet sich der Bürger vor der grausamen Wahl, entweder das Gefühl für Moral zu verlieren oder den Respekt vor dem Gesetz, zwei gleich große Übel, das eine wie das andere, zwischen denen schwer zu wählen ist.
Es liegt so sehr in der Natur des Gesetzes, die Gerechtigkeit herrschen zu lassen, dass Gesetz und Gerechtigkeit im Denken der Massen eins sind. Wir sind alle entschieden geneigt, was legal ist für legitim zu halten, bis zu dem Punkt, dass viele fälschlich alle Gerechtigkeit vom Gesetz ableiten. Es reicht also, dass das Gesetz den Raub anordnet und heiligt, um den Raub für viele Gewissen gerecht und geheiligt erscheinen zu lassen. Die Sklaverei, die Einfuhrschranken, das Monopol finden nicht nur unter denen Verteidiger, die davon profitieren, sondern ebenso unter denen, die darunter leiden. Versuchen Sie, irgendwelche Zweifel an der Moralität dieser Einrichtungen vorzutragen! Sie sind, werden sie sagen, ein gefährlicher Neuerer, ein Utopist, ein Theoretiker, ein Verächter der Gesetze. Sie erschüttern den Grund, auf dem die Gesellschaft ruht. Halten Sie eine Vorlesung über Moral oder Wirtschaftspolitik? Dann werden sich öffentliche Körperschaften finden, die der Regierung folgende Petition zukommen lassen:
Dass die Wissenschaft künftig nicht mehr unter dem alleinigen Gesichtspunkt des Freihandels (der Freiheit, des Eigentums, der Gerechtigkeit) gelehrt werde, wie dies bisher geschah, sondern auch und vor allem unter dem Gesichtspunkt der Tatsachen und der Gesetzgebung (im Widerspruch zu Freiheit, Eigentum, Gerechtigkeit), die die französische Industrie regeln.
Dass auf öffentlichen Lehrstühlen, die aus dem Staatshaushalt bezahlt werden, Professoren ganz und gar unterlassen, den geringsten Angriff gegen den Respekt vor den geltenden Gesetzen zu unternehmen.
So dass, existierte ein Gesetz, das die Sklaverei sanktioniert oder das Monopol, die Unterdrückung oder den Raub irgendeiner Art, es nicht einmal erlaubt wäre, davon zu sprechen. Denn wie davon sprechen, ohne den Respekt zu erschüttern, den es einflößt? Noch mehr, Moral und Wirtschaftspolitik müssten unter dem Gesichtspunkt dieses Gesetzes gelehrt werden, das heißt unter der falschen Voraussetzung, dass es dadurch allein gerecht ist, dass es Gesetz ist.
Eine andere Wirkung dieser bedauerlichen Perversion des Gesetzes ist es, den politischen Leidenschaften und Kämpfen und allgemein der Politik im eigentlichen Sinne eine übertriebene Bedeutung zu geben.
Ich könnte diese Behauptung auf tausenderlei Weise beweisen. Ich beschränke mich beispielhaft darauf, sie durch ein Thema nahezubringen, das kürzlich alle Geister bewegt hat: Das allgemeine Wahlrecht.
Was auch immer die Zöglinge der Schule Rousseaus, die für sehr fortschrittlich gelten und die ich für zwanzig Jahrhunderte zurück halte, darüber denken mögen, das allgemeine Wahlrecht (dies Wort in seiner rigorosen Bedeutung) ist nicht eines jener heiligen Dogmen, bei denen Prüfung oder Zweifel bereits Verbrechen sind.
Man kann ernste Bedenken dagegen vorbringen:
Zunächst beinhaltet das Wort allgemein einen groben Sophismus. Frankreich hat 36 Millionen Einwohner. Damit das Wahlrecht allgemein wäre, müsste es 36 Millionen Wählern zuerkannt werden. In dem ausgeweitetsten System erkennt man es nur 9 Millionen zu. Drei von vier Personen sind also ausgeschlossen und — mehr noch — von diesem letzten Viertel ausgeschlossen worden. Auf welchem Prinzip beruht dieser Ausschluss? Auf dem Prinzip der mangelnden Eignung. Allgemeines Wahlrecht heißt: allgemeines Wahlrecht für die Befähigten. Es bleiben folgende Fragen zur Sache: Wer sind die Befähigten? Das Alter, das Geschlecht, gerichtliche Verurteilungen, sind das die einzigen Anzeichen für mangelnde Eignung?
Bei näherer Betrachtung erkennt man leicht, warum das Wahlrecht Befähigung voraussetzt; worin sich das allgemeinste System von dem eingeschränktesten nur in den Merkmalen unterscheidet, an denen man diese Befähigung erkennen kann — was keinen Unterschied im Prinzip darstellt, sondern nur in der Ausprägung.
Der Grund ist, dass der Wähler nicht für sich, sondern für alle wählt.
Wenn, wie es die Republikaner griechischer und römischer Färbung vorgeben, uns das Wahlrecht mit dem Leben gegeben wäre, wäre es ungerecht von den Männern, Frauen und Kinder vom wählen auszuschließen. Warum schließt man sie aus? Weil sie für unfähig gelten. Und warum ist Unfähigkeit ein Motiv für den Ausschluss? Weil der Wähler bei seiner Wahl nicht nur für sich selbst Verantwortung trägt; weil jede Wahl die Gesellschaft im Ganzen berührt und bewegt; weil die Gesellschaft sehr wohl das Recht hat, gewisse Garantien zu fordern, wenn es um Handlungen geht, von denen ihr Wohlergehen und ihre Existenz abhängen.
Ich weiß, was man antworten kann. Ich weiß auch, was man darauf entgegnen könnte. Hier ist nicht der Ort, eine solche Auseinandersetzung auszutragen. Was ich aufzeigen möchte, ist, dass diese ganze Auseinandersetzung (so gut wie die meisten politischen Fragen), die die Völker bewegt, aufrührt und beunruhigt, fast ganz unwichtig würde, wenn das Gesetz stets das gewesen wäre, was es sein sollte.
In der Tat, wenn sich das Gesetz darauf beschränkte, allen Personen, allen Freiheiten, allen Besitztümern Respekt zu verschaffen, wenn es nur die Organisation des individuellen Rechtes auf legitime Verteidigung, die Schranke, der Zügel, die Züchtigung gegen alle Unterdrückungen wäre, gegen allen Raub, würden wir dann wohl unter Bürgern viel über mehr oder weniger allgemeines Wahlrecht diskutieren? Würde dies wohl das höchste Gut, den öffentlichen Frieden, in Frage stellen? Würden die ausgeschlossenen Klassen etwa nicht friedlich warten, bis sie an der Reihe sind? Würden die zugelassenen Klassen wohl sehr eifersüchtig auf ihr Privileg sein? Und ist es nicht klar, dass, wo doch das Interesse identisch und gemeinsam ist, die einen ohne große Verstimmungen für die anderen handeln würden?
Aber lassen Sie nur erst dies verhängnisvolle Prinzip sich einbürgern, dass das Gesetz — unter dem Vorwand der Organisation, der Regulierung, des Schutzes, der Förderung — von den einen nehmen kann, um anderen zu geben, aus dem von allen Klassen erworbenen Vermögen schöpfen kann, um das einer Klasse zu mehren; einmal das Vermögen der Bauern, einmal das der Handwerker, der Kaufleute, der Reeder, der Künstler, der Schauspieler! — Oh sicher, dann gibt es keine Klasse, die nicht mit Recht fordert, auch ihrerseits Hand an das Gesetz zu legen; die nicht mit Eifer ihr passives und aktives Wahlrecht fordert; eher die Gesellschaft umstürzt, als es nicht zu erhalten. Die Bettler und Vagabunden selbst werden uns beweisen, dass sie unanfechtbare Titel haben. Sie werden Ihnen sagen:
Wir kaufen niemals Wein, Tabak, Salz, ohne Steuer zu zahlen, und ein Teil dieser Steuer wird gesetzlich in Prämien, in Subventionen Leuten gegeben, die reicher sind als wir. Anderen dient das Gesetz dazu, den Brotpreis künstlich zu erhöhen, oder den für Fleisch, für Eisen, für Tuch. Da jeder das Gesetz zu seinem Nutzen ausbeutet, wollen wir es auch ausbeuten. Wir wollen das Recht auf Fürsorge aus ihm hervorgehen lassen, das ist die Beteiligung der Armen am Raub. Dafür müssen wir Wähler und Gesetzgeber sein, damit wir im Großen das Almosen für unsere Klasse organisieren, wie Ihr im Großen die Protektion für Eure organisiert habt. Sagt uns nicht, dass ihr uns unser Teil gebt, dass ihr uns, nach dem Antrag von Herrn Mimerel, eine Summe von 600 000 Franc auswerft, um uns zum Schweigen zu bringen — wie einen Knochen zum nagen. Wir haben anderen Ehrgeiz, und jedenfalls wollen wir für uns schachern wie die anderen Klassen für sich geschachert haben!
Was kann man auf dies Argument entgegnen? Ja, solange es prinzipiell anerkannt ist, dass das Gesetz von seiner wahren Aufgabe abgewendet werden kann, dass es Eigentum verletzen kann, anstatt es zu beschützen, wird jede Klasse das Gesetz machen wollen, sei es, um sich vor Ausbeutung zu schützen, sei es um sie ebenfalls zu ihrem Nutzen zu organisieren. Die politische Frage wird dann immer voller Vorurteil alles beherrschen und vereinnahmen. Mit einem Wort, man wird sich am Tor des Parlaments schlagen. Drinnen wird der Kampf wird nicht weniger heftig sein. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nicht einmal zu sehen, was sich in den Parlamenten in Frankreich und England abspielt. Man muss nur wissen, was in Frage steht.
Muss man noch beweisen, dass diese hässliche Perversion des Gesetzes ständig zu Hass und Zwietracht führt, die bis zur gesellschaftlichen Zerrüttung gehen können? Werfen wir einen Blick auf die Vereinigten Staaten. Dies ist das Land auf der Welt, wo das Gesetz am ehesten in seiner Rolle bleibt, jedem seine Freiheit und sein Eigentum zu garantieren. Es ist auch das Land der Welt, wo die gesellschaftliche Ordnung auf dem festesten Grund zu stehen scheint. Allerdings gibt es selbst in den Vereinigten Staaten zwei Fragen, und nur diese beiden, die seit Anbeginn mehrmals die politische Ordnung in Gefahr gebracht haben. Und was sind diese beiden Fragen? Die Sklaverei- und die Zollfrage, will sagen, genau die beiden einzigen Fragen, wo — entgegen dem allgemeinen Geist dieser Republik — das Gesetz räuberischen Charakter angenommen hat. Die Sklaverei ist eine durch das Gesetz sanktionierte Verletzung des Rechtes der Person. Der Schutzzoll ist eine vom Gesetz begangene Verletzung des Rechtes auf Eigentum. Und sicherlich ist sehr bemerkenswert, dass inmitten so vieler anderer Debatten, diese zweifache gesetzliche Plage, trauriges Erbe der alten Welt, das einzige ist, was den Bruch der Union herbeiführen kann und vielleicht herbeiführen wird. 1 Tatsächlich ist in einer Gesellschaft nichts Bedenklicheres vorstellbar als dieses: Dass das Gesetz ein Instrument der Ungerechtigkeit geworden ist. Und wenn dies so fürchterliche Folgen in den Vereinigten Staaten hat, wo es nur eine Ausnahme ist, was muss es in unserem Europa hervorbringen, wo es ein Prinzip, ein System ist?
Herr de Montalembert eignete sich den Gedanken einer berühmten Proklamation von Herrn Carlier an und sagte: Dem Sozialismus muss der Krieg erklärt werden. Und mit Sozialismus, muss man annehmen, bezeichnete er nach der Definition von Herrn Charles Dupin den Raub.
Aber von welchem Raub wollte er sprechen? Denn es gibt zwei Sorten von Raub. Es gibt den außergesetzlichen und den gesetzlichen Raub.
Den außergesetzlichen Raub, den man Diebstahl, Betrug nennt, denjenigen, der im Strafgesetzbuch erklärt und vorgesehen ist und bestraft wird, wahrlich, den kann man wohl nicht mit dem Namen Sozialismus schmücken. Dieser ist es nicht, der die Gesellschaft systematisch in ihren Grundfesten bedroht. Übrigens hat der Krieg gegen diese Art Raub nicht auf das Signal von Herrn de Montalembert oder Herrn Carlier gewartet. Er wird seit Anbeginn der Welt geführt; lange Zeit vor der Februarrevolution, lange Zeit vor dem Erscheinen des Sozialismus, hat Frankreich für ihn einen Apparat von Gerichten, Polizei, Gendarmerie, Gefängnissen, Zuchthäusern und Schafotts vorgesehen. Es ist das Gesetz selbst, das diesen Kampf führt, und nach meiner Meinung wäre wünschenswert, dass das Gesetz immer bei dieser Haltung gegenüber dem Raub bliebe.
Aber dem ist nicht so. Das Gesetz ergreift manchmal Partei für ihn. Manchmal vollzieht es ihn mit eigenen Händen, um dem Nutznießer die Scham, die Gefahr und den Skrupel zu ersparen. Manchmal macht es diesen ganzen Apparat von Gerichten, Polizei, Gendarmerie und Gefängnissen dem Räuber zu Diensten und behandelt den Beraubten, der sich verteidigt, als Verbrecher. Mit einem Wort, es gibt den gesetzmäßigen Raub, und von diesem spricht ohne Zweifel Herr de Montalembert.
Diese Art Raub kann in der Gesetzgebung eines Volkes ein vereinzelter Fehltritt sein. In diesem Falle ist das Beste, diesen ohne viel Aufhebens und Gejammer trotz der Klagen der Interessierten schnellstmöglich zu beseitigen. Wie erkennt man ihn? Das ist ganz einfach. Überprüfe, ob das Gesetz den einen nimmt, was ihnen gehört, um anderen zu geben, was ihnen nicht gehört. Überprüfe, ob das Gesetz zum Nutzen eines Bürgers und zum Schaden der anderen eine Handlung vornimmt, die der Bürger selbst nicht ohne Verbrechen vornehmen könnte. Beeilen Sie sich, dies Gesetz abzuschaffen. Es ist nicht nur eine Ungerechtigkeit, es ist eine ergiebige Quelle von Ungerechtigkeiten. Denn es ruft Repressalien hervor, und wenn Sie nicht aufpassen, wird sich die Ausnahme ausweiten, sich vervielfältigen und systematisch werden. Ohne Zweifel wird der Nutznießer laut schreien; er wird sich auf erworbene Rechte berufen. Er wird sagen, dass der Staat seiner Industrie Schutz und Förderung schuldet; er wird argumentieren, es sei gut, wenn der Staat ihn reicher macht, weil er, wenn er reicher ist, mehr ausgibt und so einen Regen von Löhnen über die armen Arbeiter strömen lässt. Hüten Sie sich, diesen Sophisten anzuhören, denn genau durch die Systematisierung dieser Argumente systematisiert sich der legale Raub.
Dies ist geschehen. Es ist die Chimäre des Tages, alle Klassen auf Kosten der anderen Klassen reicher zu machen; das heißt, den Raub allgemein zu machen, unter dem Vorwand, ihn zu organisieren. Der gesetzmäßige Raub kann sich nun auf unendlich viele Weisen vollziehen. Daher die unendliche Vielzahl von Organisationsplänen: Zölle, Protektion, Prämien, Subventionen, Förderungen, progressive Steuern, kostenloser Unterricht, Recht auf Arbeit, Recht auf Gewinn, Recht auf Lohn, Recht auf Unterstützung, Recht auf Arbeitsmittel, kostenloser Kredit, etc. Und es ist die Gesamtheit all dieser Pläne, in dem, worin sie übereinstimmen — dem gesetzmäßigen Raub — die Sozialismus heißt.
Wo nun der Sozialismus, so definiert, ein ideologisches Gebäude ist, welchen Krieg wollen Sie gegen ihn führen, wenn nicht einen ideologischen Krieg? Sie finden diese Ideologie falsch, absurd, abscheulich. Widerlegen Sie sie. Das wird Ihnen um so leichter fallen, um so falscher, absurder, abscheulicher sie ist. Vor allem, wenn Sie stark sein wollen, beginnen Sie damit, aus Ihrer Gesetzgebung all das auszumerzen, was sich dort an Sozialismus einschleichen konnte — und das ist keine geringe Aufgabe. Herrn de Montalembert wurde vorgeworfen, gegen den Sozialismus brutale Gewalt anwenden zu wollen. Von diesem Vorwurf muss man ihn entlasten, denn er hat wörtlich gesagt: Gegen den Sozialismus müssen wir Krieg führen, im Einklang mit dem Gesetz, der Ehre und der Gerechtigkeit.
Aber warum merkt Herr de Montalembert nicht, dass er sich in einem Teufelskreis befindet? Sie wollen dem Sozialismus das Gesetz entgegensetzen? Aber gerade der Sozialismus beruft sich auf das Gesetz. Er erstrebt nicht den außergesetzlichen sondern den gesetzlichen Raub. Es ist das Gesetz selbst, das er, wie die Monopolisten aller Art, gebrauchen möchte; und wenn er einmal das Gesetz für sich hat, wie wollen Sie das Gesetz gegen ihn wenden? Wie wollen sie es unter den Zugriff Ihrer Tribunale, Ihrer Gendarmen, Ihrer Gefängnisse stellen?
Außerdem, was machen Sie? Sie wollen ihn hindern, Hand an die Gestaltung der Gesetze zu legen. Sie wollen ihn aus dem Parlament heraushalten. Sie werden keinen Erfolg haben, das wage ich Ihnen vorherzusagen, solange drinnen Gesetze nach dem Prinzip des gesetzmäßigen Raubs verabschiedet werden. Das ist zu ungerecht, zu absurd.
Diese Frage des gesetzmäßigen Raubes muss unbedingt gelöst werden. Und es gibt dabei nur drei Lösungen:
- dass die kleine Zahl die große Zahl beraubt,
- dass jedermann jedermann beraubt,
- dass niemand jemanden beraubt.
Partieller Raub, allgemeiner Raub, kein Raub, dazwischen man muss wählen. Das Gesetz kann nur eines dieser drei Ergebnisse verfolgen.
Partieller Raub — das ist das System, das vorwog, solange das Wahlrecht partiell war, das System, zu dem wir zurückkehren, um das Eindringen des Sozialismus zu verhindern.
Allgemeiner Raub — das ist das System von dem wir bedroht waren, seit das Wahlrecht allgemein geworden ist, als die Masse die Idee erfasst hatte, Gesetz zu geben nach dem Prinzip der Gesetzgeber, die ihr vorausgegangen waren.
Kein Raub — dies ist das Prinzip der Gerechtigkeit, des Friedens, der Ordnung, der Stabilität, der Versöhnung, der Vernunft, das ich mit aller — leider! ganz unzureichenden — Kraft meiner Lungen verkünden werde bis zu meinem letzten Atemzug.
Und ernsthaft, kann man von dem Gesetz etwas anderes fordern? Kann das Gesetz, das als notwendige Sanktion die Gewalt hat, vernünftigerweise zu etwas anderem in Anspruch genommen werden, als jedem sein Recht zu wahren? Ich bestreite, dass es aus diesem Zirkel entkommen kann, ohne dass man es verdreht und folglich die Gewalt gegen das Recht wendet. Und wie dies das Verhängnisvollste ist, die unlogischste gesellschaftliche Verwirrung, die man sich vorstellen kann, muss man wohl erkennen, dass die wahre viel gesuchte Lösung des sozialen Problems in die einfachen Worten zu fassen ist: DAS GESETZ IST DIE ORGANISIERTE GERECHTIGKEIT.
Nun merke wohl: Die Gerechtigkeit durch das Gesetz zu organisieren, das heißt durch Gewalt, schließt die Idee aus, durch das Gesetz oder mit Gewalt eine wie auch immer geartete inhaltliche Ausprägung menschlicher Aktivität zu organisieren: Arbeit, Wohltätigkeit, Landwirtschaft, Wirtschaft, Industrie, Bildung, Kultur, Religion. Denn eine solche nachgeordnete Organisation müsste notwendig die vorrangige Organisation zerstören. Wie kann Gewalt in die Freiheit der Bürger eingreifen, ohne einen Schlag gegen die Gerechtigkeit zu führen, ohne gegen ihr eigentliches Ziel zu handeln?
Hier stoße ich mich am populärsten Vorurteil unserer Zeit. Wir wollen nicht nur, dass das Gesetz gerecht ist; wir wollen auch noch, dass es philanthropisch ist. Wir geben uns nicht damit zufrieden, dass es jedem Bürger die freie und friedfertige Ausübung seiner Fertigkeiten garantiert, zu seiner körperlichen, geistigen und moralischen Entwicklung. Wir verlangen von ihm, dass es direkt Wohlergehen, Bildung und Moral über die Nation verbreitet. Dies ist die verführerische Seite des Sozialismus.
Aber, ich wiederhole es, diese zwei Aufgaben des Gesetzes widersprechen sich. Wir müssen uns entscheiden. Der Bürger kann nicht gleichzeitig frei sein und es nicht sein. Herr von Lamartine schrieb mir einmal: Ihre Lehre ist nur die Hälfte meines Programms; Sie sind bei der Freiheit stehengeblieben, ich bei der Brüderlichkeit. Ich habe ihm geantwortet: Die zweite Hälfte Ihres Programms zerstört die erste. Und in der Tat, es ist mir vollkommen unmöglich, das Wort Brüderlichkeit von dem Wort freiwillig zu trennen. Es ist mir vollkommen unmöglich, eine Brüderlichkeit zu begreifen, die gesetzlich erzwungen ist, ohne dass die Freiheit gesetzlich zerstört wird und die Gerechtigkeit gesetzlich mit Füßen getreten wird.
Der legale Raub hat zwei Wurzeln: Die eine, wie wir gerade gesehen haben, liegt im menschlichen Egoismus. Die andere liegt in der falschen Philanthropie.
Bevor ich fortfahre, muss ich wohl das Wort Raub erläutern.
Ich gebrauche es nicht, wie es oft geschieht, in einer vagen, unbestimmten, angenäherten, metaphorischen Bedeutung: Ich bediene mich seiner in einem gänzlich wissenschaftlichen Sinne, um die entgegengesetzte Idee zu der des Eigentums auszudrücken. Wenn ein Anteil der Reichtümer von demjenigen, der sie erworben hat, ohne seine Zustimmung und ohne Entschädigung zu dem wechselt, der sie nicht erzeugt hat, sei es mit Gewalt oder List, sage ich, es handele sich um einen Angriff auf das Eigentum, es handele sich um Raub. Ich sage, dass das Gesetz gerade dies immer und überall unterdrücken müsse. Und wenn das Gesetz selbst die Handlung vollzieht, die es unterdrücken müsste, sage ich, dass es sich nicht weniger um Raub handele, ja sogar, gesellschaftlich gesprochen, unter erschwerenden Umständen. Nur ist in diesem Fall nicht der, der von dem Raub profitiert, dafür verantwortlich, sondern das Gesetz, der Gesetzgeber, die Gesellschaft, und dies macht es zur politischen Gefahr.
Es ist bedauerlich, dass dies Wort etwas Verletzendes hat. Ich habe vergeblich ein anderes gesucht, denn nie und heute weniger denn je, wollte ich in unsere Auseinandersetzungen ein polarisierendes Schlagwort werfen. So erkläre ich, ob man es glaubt oder nicht, dass ich nicht die Absichten oder die Moral von irgend jemand in Frage stellen will. Ich greife eine Idee an, die ich für falsch halte, ein System, dass mir ungerecht scheint, und dies so ohne jede Absicht, dass jeder von uns davon Vorteil hat, ohne es zu wollen und darunter leidet, ohne es zu wissen. Nur unter dem Einfluss von Parteigeist oder von Furcht kann die Aufrichtigkeit von Protektionismus, Sozialismus oder sogar dem Kommunismus in Zweifel gezogen werden, die nur eine und dieselbe Pflanze sind, in drei verschiedenen Wachstumsphasen. Alles was man sagen könnte ist, dass der Raub im Protektionismus am sichtbarsten ist durch seine Parteilichkeit, im Kommunismus durch seine Universalität; daraus folgt, dass von den drei Systemen der Sozialismus noch das vageste, das unentschiedenste, und folglich das aufrichtigste ist.
Wie dem auch sei, wenn wir zu dem Schluss kommen, dass der legale Raub eine seiner Wurzeln in der fehlgeleiteten Philanthropie hat, stellt man offensichtlich die Absichten außer Frage.
Untersuchen wir nun, was dieses populäre Streben wert ist, woher es kommt und wohin es führt, das vorgibt, das allgemeine Wohl durch den allgemeinen Raub zu verwirklichen.
Die Sozialisten sagen uns: Wo doch das Gesetz die Gerechtigkeit organisiert, warum soll es nicht die Arbeit, die Bildung, die Religion organisieren?
Warum? Weil es die Arbeit, die Bildung, die Religion nicht zu organisieren wüsste, ohne die Organisation der Gerechtigkeit fallenzulassen.
Bemerken Sie doch, dass das Gesetz die Gewalt ist, und dass folglich der Bereich des Gesetzes nicht rechtmäßig den rechtmäßigen Bereich der Gewalt überschreiten darf.
Wenn Gesetz und Gewalt einen Menschen in den Grenzen der Gerechtigkeit halten, wird ihm nur eine reine Negation auferlegt. Er muss nur darauf verzichten zu schaden. Sie greifen weder seine Persönlichkeit, noch seine Freiheit, noch sein Eigentum an. Sie sichern nur Persönlichkeit, Freiheit und Eigentum des anderen. Sie beschränken sich auf die Verteidigung; sie verteidigen das gleiche Recht von allen. Sie erfüllen eine Aufgabe, deren Harmlosigkeit offensichtlich ist, deren Nützlichkeit unmittelbar, und deren Legitimität unbestritten.
Dies ist so wahr — darauf wies mich einer meiner Freunde hin —, dass wenn jemand sagt, das Ziel des Gesetzes sei, die Gerechtigkeit regieren zu lassen, er sich streng genommen nicht richtig ausdrückt. Es müsste heißen: Das Ziel des Gesetzes ist, die Ungerechtigkeit daran zu hindern zu regieren. In der Tat, nicht die Gerechtigkeit existiert eigentlich, sondern die Ungerechtigkeit. Die eine entsteht aus der Abwesenheit der anderen.
Aber wenn das Gesetz — mittels seines notwendigen Handlangers, der Gewalt — eine Art der Arbeit aufzwingt, eine Methode oder einen Inhalt der Bildung, einen Glauben oder einen Kult, dann nimmt es nicht mehr negativ sondern positiv Einfluss auf die Menschen. Es setzt den Willen des Gesetzgebers an die Stelle ihres eigenen Willens, die Initiative des Gesetzgebers an die Stelle ihrer eigenen Initiative. Sie müssen nicht mehr beraten, vergleichen, vorhersehen; das Gesetz macht all dies für sie. Die Intelligenz wird für sie ein unnützes Inventar. Sie hören auf, Menschen zu sein. Sie verlieren ihre Persönlichkeit, ihre Freiheit, ihr Eigentum.
Versuchen Sie, sich eine Form der Arbeit vorzustellen, die mit Gewalt auferlegt wird und kein Angriff auf die Freiheit ist; eine Umverteilung von Vermögen, die mit Gewalt auferlegt wird, und kein Angriff auf das Eigentum ist. Wenn Ihnen das nicht gelingt, geben Sie zu, dass das Gesetz nicht Arbeit und Industrie organisieren kann, ohne Ungerechtigkeit zu organisieren.
Wenn ein Publizist aus der Abgeschlossenheit seines Stübchens seine Blicke über die Gesellschaft schweifen lässt, ist er erschüttert von der Ungleichheit, die sich ihm darbietet. Er seufzt über die Leiden, die das Los so vieler unserer Brüder sind, Leiden, deren Anblick noch trauriger wird durch den Kontrast mit Luxus und Überfluss.
Er müsste sich vielleicht fragen, ob ein solcher gesellschaftlicher Zustand nicht historischen Raub durch Eroberung zur Ursache hat und neuen Raub über die Vermittlung der Gesetze. Er müsste sich fragen, ob — mit dem Streben aller Menschen nach Wohlergehen und Vervollkommnung — die Herrschaft der Gerechtigkeit nicht genügt, um den größten Fortschritt und die größte Gleichheit zu verwirklichen, die mit jener individuellen Verantwortung verträglich ist, die Gott als gerechten Lohn für Tugend und Laster gesetzt hat.
Er denkt nicht einmal daran. Sein Denken richtet sich auf gesetzliche oder künstliche Kombinationen, Arrangements, Organisationen. Er sucht das Heilmittel in der Verewigung und Übertreibung dessen, was das Übel erzeugt hat.
Denn gibt es abseits der Gerechtigkeit — die, wie wir gesehen haben, nur eine wahrhafte Negation ist — eine gesetzliche Regelung, die nicht das Prinzip des Raubes einschlösse?
Sie sagen: Da sind Arme, — und Sie wenden sich an das Gesetz. Aber das Gesetz ist keine Brust, die sich von selbst füllt, oder deren Milchdrüsen sich anderswo als in der Gesellschaft füllen. Es fließt nichts in den Staatshaushalt, zu Gunsten eines Bürgers oder einer Klasse, als was andere Bürger und andere Klassen gezwungen waren dort hineinzugeben. Wenn jeder nur das Äquivalent dessen entzöge, was er hineingetan hat, dann ist Ihr Gesetz freilich nicht räuberisch, aber es tut nichts für die Armen, es tut nichts für die Gleichheit. Es kann nur insoweit Instrument der Gleichstellung sein, als es den einen nimmt, um anderen zu geben, und dann ist es ein Instrument des Raubes. Untersuchen Sie aus diesem Blickwinkel Schutzzoll, Förderungsprämien, Recht auf Gewinn, Recht auf Arbeit, Recht auf Unterstützung, Recht auf Bildung, progressive Steuer, Gratiskredit, Genossenschaftswerkstätten, immer werden Sie auf dem Grund den legalen Raub finden, die organisierte Ungerechtigkeit.
Sie sagen: Da sind Menschen ohne Bildung, — und Sie wenden sich an das Gesetz. Aber das Gesetz ist keine Fackel, die weithin ein ihr eigenes Licht verbreitet. Es beruht auf einer Gesellschaft, wo es Menschen gibt, die wissen, und andere, die nicht wissen; Bürger, die das Bedürfnis haben zu lernen, und andere, die bereit sind zu lehren. Es kann von zwei Dingen nur eines tun: entweder diese Art von Transaktionen sich frei vollziehen lassen, sich diese Art Bedürfnisse frei befriedigen lassen; oder den Willen der Menschen bezwingen, und von den einen nehmen, um die Lehrer zu bezahlen, die einstellt werden, um die anderen zu unterrichten. Aber es kann im zweiten Fall nichts tun, was nicht ein Angriff auf Freiheit und Eigentum wäre, ein gesetzmäßiger Raub.
Sie sagen: Da sind Menschen ohne Moral und Religion, — und Sie wenden sich an das Gesetz. Aber das Gesetz ist die Gewalt, und muss ich noch sagen, was für ein grausames und wahnsinniges Unternehmen es ist, mit Gewalt in diese Dinge einzugreifen?
Mit seinen Systemen und seinen Bemühungen am Ende scheint der Sozialismus, selbstgefällig wie er auch sein mag, nicht umhin zu können, das Monströse des legalen Raubes zu sehen. Aber was macht er? Er verkleidet es geschickt für alle Augen, selbst für seine eigenen, unter den verführerischen Namen von Brüderlichkeit, Solidarität, Organisation, Vereinigung. Und weil wir nicht so viel von dem Gesetz erwarten, weil wir von ihm nur Gerechtigkeit verlangen, so unterstellt er, dass wir die Brüderlichkeit zurückweisen, die Solidarität, die Organisation, die Vereinigung und wirft uns das Schimpfwort Individualisten an den Kopf.
Wisse er also, dass wir nicht die natürliche Organisation zurückweisen, sondern die erzwungene; nicht die freiwillige Vereinigung, sondern die Formen der Vereinigung, die er uns auferlegen will; nicht die spontane Brüderlichkeit, sondern die gesetzlich vorgeschriebene Brüderlichkeit; nicht die Solidarität der Vorsehung, sondern die künstliche Solidarität, die nur ein ungerechter Ersatz für Verantwortung ist.
Der Sozialismus, wie die alte Politik, aus der er hervorgegangen ist, vermengt die Regierung und die Gesellschaft. Darum schließt er jedesmal, wenn wir nicht wollen, dass die Regierung etwas tut, dass wir wollen, dass es überhaupt nicht getan werde. Wir weisen die staatliche Bildung zurück, also wollen wir keine Bildung. Wir weisen eine Staatsreligion zurück, also wollen wir keine Religion. Wir weisen die staatliche Gleichmacherei zurück, also wollen wir keine Gleichheit; usw. Es ist, als ob er uns anklagte, wir wollten nicht, dass Menschen essen, weil wir den staatlichen Weizenanbau ablehnen.
Wie hat sich in der politischen Welt die verschrobene Idee durchsetzen können, aus dem Gesetz abzuleiten, was nicht darin ist: Das Wohl, positiv definiert, der Reichtum, die Wissenschaft, die Religion?
Die modernen Publizisten, besonders die der sozialistischen Schule, gründen ihre verschiedenen Theorien auf eine gemeinsame Hypothese – sicherlich die merkwürdigste, die abstruseste, die einem Menschen in den Sinn kommen kann.
Sie teilen die Menschheit in zwei Teile. Die Gesamtheit der Menschen minus eins bildet den ersten Teil, der Publizist ganz allein den zweiten und bei weitem wichtigsten Teil.
Als erstes nehmen sie wahrhaftig an, dass die Menschen in sich weder ein Handelsprinzip noch eine Möglichkeit des Erkenntnisgewinns haben. Sie sind ohne Antrieb, träge Masse, passive Moleküle, Atome ohne Spontaneität, bestenfalls ein gegen die eigene Lebensweise gleichgültiges Gewächs, fähig unter einem äußeren Willen und einer äußeren Hand unendlich viele mehr oder weniger symmetrische, künstliche, perfekte Formen anzunehmen.
Daraufhin nimmt jeder von ihnen ohne weiteres an, dass er selbst, unter den Namen des Organisators, Aufklärers, Gesetzgebers, Vorstehers, Gründers dieser Wille und diese Hand ist, dieser allgemeine Antrieb, diese schaffende Kraft, deren erhabene Aufgabe es ist, diese verstreute Materie — die Menschen — in einer Gesellschaft zu vereinigen.
Hiervon ausgehend schneidet — wie jeder Gärtner nach Laune seine Bäume in Pyramiden, Sonnenschirme, Würfel, Kegel, Vasen, Spaliere, Spindeln, Fächer schneidet — der Sozialist nach seiner Chimäre die arme Menschheit in Gruppen, Serien, Zentren, Unterzentren, in Zellen, Genossenschaftswerkstätten, harmonische, kontrastierende, und so weiter und so fort.
Und ebenso wie der Gärtner, um die Bäume zu beschneiden, Äxte, Sägen, Rebmesser und Scheren braucht, braucht der Publizist, um seine Gesellschaft zurechtzustutzen, Gewalten, die er nur in den Gesetzen finden kann — Zollgesetz, Steuergesetz, Sozialfürsorgegesetz, Bildungsgesetz.
So selbstverständlich betrachten die Sozialisten die Menschheit als Material für soziale Experimente, dass, wenn der Erfolg dieser Kombinationen nicht ganz sicher scheint, sie zumindest eine Parzelle der Menschheit als Experimentierfeld fordern: Es ist bekannt, wie populär unter ihnen die Idee ist, alle Systeme auszuprobieren. Einer ihrer Führer forderte sogar ernsthaft von der verfassungsgebenden Versammlung eine Gemeinde mit allen ihren Einwohnern, um seinen Versuch zu durchzuführen.
Ebenso baut jeder Erfinder seine Maschine im Kleinen, bevor er sie im Großen baut. Ebenso opfert der Chemiker einige Reagenzien, der Bauer einige Samen und eine Ecke seines Ackers, um eine Idee zu erproben.
Aber welch unermesslicher Abstand zwischen dem Gärtner und seinen Bäumen, dem Erfinder und seiner Maschine, dem Chemiker und seinen Substanzen, zwischen dem Bauern und seinen Samen! — Der Sozialist glaubt allen Ernstes, dass ihn derselbe Abstand von der Menschheit trennt.
Kein Wunder, dass die Publizisten des neunzehnten Jahrhunderts die Gesellschaft für das künstliche Erzeugnis eines Gesetzgebergenies halten.
Diese Idee, Frucht der klassischen Erziehung, hat alle Denker, alle großen Schriftsteller unseres Landes beherrscht. Alle sahen zwischen der Menschheit und dem Gesetzgeber dasselbe Verhältnis wie zwischen Lehm und Töpfer.
Mehr noch, wenn sie zuerkannten, im Herzen des Menschen ein Handlungsmotiv zu finden, in seiner Intelligenz Urteilsfähigkeit, dachten sie, dass Gott ihm damit eine verhängnisvolle Gabe beschert hätte, und dass die Menschheit unter dem Einfluss dieser beiden Antriebe schicksalhaft zu ihrem Verfall neige. Sie gingen tatsächlich davon aus, dass die Menschheit, ihren Neigungen überlassen, sich nur mit Religion beschäftige, um zum Atheismus abzugleiten, mit der Wissenschaft, um zur Unwissenheit zu gelangen, mit Arbeit und Tausch, um im Elend zu vergehen.
Glücklicherweise — nach diesen selben Schriftstellern — gibt es gewisse Menschen, Regierende und Gesetzgeber genannt, die vom Himmel nicht nur für sich selbst sondern für alle anderen entgegengesetzte Neigungen empfangen haben. Während die Menschheit zum Übel neigt, streben sie zum Guten, während die Menschheit in die Finsternis schreitet, erstreben sie das Licht, während die Menschheit zum Laster hingezogen ist, werden sie von der Tugend angezogen. Und auf Grund dieser Voraussetzung fordern sie Gewalt, die es ihnen ermöglichen soll, ihre eigenen Neigungen an die Stelle der Neigungen der Menschheit zu setzen.
Man braucht nur beinahe zufällig ein Buch über Philosophie, Politik oder Geschichte zu öffnen, um zu sehen, wie tief in unserem Land die Idee verwurzelt ist — Tochter klassischer Studien und Mutter des Sozialismus —, dass die Menschheit eine leblose Masse sei, die von der Macht Leben, Organisation, Moral und Reichtum empfängt; oder, was noch schlimmer ist, dass die Menschheit von sich aus zum Verfall neigt und auf dieser schiefen Bahn nur durch die mysteriöse Hand des Gesetzgebers aufgefangen wird. Immer zeigt uns der klassische Konventionalismus hinter der passiven Gesellschaft eine okkulte Macht, die unter den Namen Gesetz, Gesetzgeber, oder unter diesem bequemeren und vageren Ausdruck MAN, die Menschheit bewegt, bereichert, und moralisiert.
BOSSUET. „Eines der Dinge, die MAN (wer?) dem Geist der Ägypter am stärksten einprägte, war die Vaterlandsliebe… Es war nicht erlaubt, unnütz für den Staat zu sein; das Gesetz wies jedem seine Arbeit zu, die sich vom Vater auf den Sohn übertrug. Man konnte weder zwei haben noch die Arbeit wechseln… Aber es gab eine Beschäftigung, an der alle teilhaben mussten. Dies war das Studium der Gesetze und der Weisheit. Die Unkenntnis der Religion und der Staatsordnung wurden in keinem Stande entschuldigt. Im Übrigen hatte jeder Berufsstand seinen ihm zugeordneten Bezirk (von wem?)… Unter guten Gesetzen war das Vorzüglichste, dass jedermann in der Gesinnung aufgezogen war (von wem?), sie zu befolgen… Ihre Merkuren haben Ägypten mit wunderbaren Erfindungen erfüllt und haben es im Lande an fast nichts fehlen lassen, was das Leben angenehm und ruhig machen könnte.“
So zogen die Menschen nach Bossuet nichts aus sich: Patriotismus, Reichtum, Tätigkeit, Weisheit, Erfindungen, Arbeit, Wissenschaften, alles kam ihnen aus der Betätigung der Gesetze oder der Könige. Sie mussten sich nur gehen lassen. Sogar an dem Punkt, wo Diodor die Ägypter anklagte, den Kampf und die Musik zurückzuweisen, verbessert ihn Bossuet. Wie kann das sein, sagt er, wo doch diese Künste von Trismegistus erfunden worden sind?
Ebenso bei den Persern:
„Eines der ersten Anliegen des Fürsten war es, die Landwirtschaft aufblühen zu lassen… Ebenso wie es Beamte für die Führung der Armeen gab, gab es auch welche, die die bäuerlichen Arbeiten überwachten… Der Respekt, den MAN den Persern für die königliche Autorität einflößte, ging bis zum Äußersten.“
Die Griechen, so geistreich sie auch seien, waren ihrem eigenen Geschick nicht weniger fremd, so dass sie aus sich selbst heraus nicht einmal wie Hunde und Pferde zu den einfachsten Spielen gekommen wären. Klassisch ist es eine anerkannte Tatsache, dass alles von außen zu den Völkern kommt.
„Die Griechen, von Natur aus geistvoll und mutig, wurden zu früher Stunde von den Königen und den Kolonien aus Ägypten kultiviert. Daher haben sie die Leibesübungen, die Wettläufe zu Fuß; zu Pferd und zu Wagen… Das wichtigste, was die Ägypter ihnen beigebracht haben, war, sich gesittet zu geben, sich von den Gesetzen formen zu lassen für das öffentliche Wohl.“
FENELON. Geprägt vom Studium und der Bewunderung des Altertums, Zeuge der Macht Ludwigs des 14ten, konnte Fénelon kaum der Idee entrinnen, dass die Menschheit passiv ist, dass ihr Unglück wie ihr Wohlstand, ihre Tugenden wie ihre Laster aus äußerem Einfluss entstehen, auf sie ausgeübt durch das Gesetz oder den, der es macht. Auch in seinem utopischen Salente unterwirft er die Menschen mit ihren Interessen, ihren Fertigkeiten, ihren Bedürfnissen, ihren Tugenden der absoluten Verfügung des Gesetzgebers. Worum es sich auch handelt, nie sind sie es, die für sich selbst urteilen, es ist der Fürst. Die Nation ist nur eine formlose Masse, deren Seele der Prinz ist. In ihm wohnen Verstand, Vorsorge, alle Organisationsprinzipien, aller Fortschritt und folglich die ganze Verantwortung.
Um diese Behauptung zu beweisen, müsste ich das ganze zehnte Buch des Telemach abschreiben. Ich verweise den Leser darauf und begnüge mich, einige zufällig gewählte Passagen aus dieser berühmten Dichtung zu zitieren. Dabei zögere ich nicht, ihr in jeder anderen Hinsicht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Mit der überraschenden Leichtgläubigkeit, die die Klassiker auszeichnet, stellt Fénelon gegen das Zeugnis des gesunden Menschenverstandes und der Tatsachen fest, dass bei den Ägyptern allgemeine Glücklichkeit herrschte, und er schreibt sie nicht ihrer eigenen Weisheit sondern der ihrer Könige zu.
Wir konnten die Augen nicht auf beide Ufer werfen, ohne üppige Städte wahrzunehmen, lieblich gelegene Landhäuser, Ländereien, die sich alle Jahre mit gesegneter Ernte bedecken, ohne Unterbrechung; Weiden voller Herden, Arbeiter, gebeugt unter der Last der Früchte, welche die Erde aus ihrem Schoß hervorbringt; Hirten, die die sanften Töne ihrer Flöten und ihrer Schalmeien von dem Echo rundum widertönen lassen. Glücklich, sagte Mentor, das Volk, das so von einem weisen König geleitet wird.
Dann ließ mich Mentor das Glück und den Überfluss bemerken, der sich über das ganze ägyptische Land ausstreckt, wo man bis zu zweiundzwanzig Tausend Städte zählte; die Gerechtigkeit, zugunsten des Armen gegen die Reichen ausgeführt; die gute Erziehung der Kinder, die man an Gehorsam gewöhnte, Arbeit, Mäßigkeit, Liebe zu Kunst und Literatur; die Sorgfalt bei allen religiösen Zeremonien; Selbstlosigkeit, das Streben nach Ehre, die Treue gegen die Menschen und die Furcht vor den Göttern, die jeder Vater seinen Kindern einflößte. Er wurde nicht müde, diese gute Ordnung zu bewundern. Glücklich, sagte er mir, das Volk, das ein weiser König so führt.
Fénelon macht aus Kreta eine noch verführerische Idylle. Dann fügt er, durch den Mund Mentors hinzu:
Alles, was Ihr auf dieser wunderbaren Insel seht, ist die Frucht der Gesetze von Minos. Die Erziehung, die er den Kindern geben ließ, machte den Körper gesund und stark. MAN gewöhnt sie vor allem an ein einfaches, mäßiges und arbeitsames Leben; MAN nimmt an, dass jede Ausschweifung Körper und Geist verweichlicht; MAN bietet ihnen niemals ein anderes Vergnügen, als an Tugend unbesiegbar zu sein und höchsten Ruhm zu erringen… Hier bestraft MAN drei Laster, die bei den anderen Völkern unbestraft bleiben: Undankbarkeit, Verstellung, und Geiz. Luxus und Verweichlichung braucht MAN nie zu unterdrücken, denn sie sind in Kreta unbekannt… MAN duldet dort weder wertvolle Möbel, noch prachtvolle Kleidung, noch delikate Festmähler, noch goldgeschmückte Paläste.
So bereitet Mentor seinen Schüler darauf vor, das Volk von Itaka aufzureiben und zu manipulieren — ohne Zweifel mit äußerst philanthropischer Absicht — und, um sicherer zu gehen, gibt er ihm als Vorbild dafür Salente.
So empfangen wir unsere ersten Vorstellungen von Politik. Wir werden geschult, die Menschen ungefähr so zu behandeln, wie Olivier von Serres die Bauern lehrt, den Boden zu behandeln und zu mischen.
MONTESQUIEU. Um den Geschäftsgeist zu erhalten, müssen alle Gesetze ihn begünstigen; müssen dieselben Gesetze, durch ihre Verfügungen die Vermögen in dem Maß aufteilen, wie der Handel sie vermehrt, indem sie jedem armen Bürger ein hinreichendes Auskommen geben, damit er arbeiten kann wie die anderen, und jeden reichen Bürger in solcher Mittelmäßigkeit halten, dass er arbeiten muss, um zu bewahren oder dazuzugewinnen…
So verfügen die Gesetze über alle Vermögen.
Wenn auch in der Demokratie die reale Gleichheit die Seele des Staates ist, ist sie gleichwohl so schwierig zu etablieren, dass eine extreme Genauigkeit hierin nicht immer angebracht ist. Es genügt, dass MAN einen Grundzins einrichtet, der die Unterschiede vermindert oder in einem gewissen Grad hält. Danach kommt es besonderen Gesetzen zu, die Ungleichheit durch Zahlungen, die sie den Reichen auflasten und Erleichterungen, die sie den Armen zugestehen, sozusagen auszugleichen…
Da ist sie wieder, die Angleichung der Vermögen durch das Gesetz, durch die Gewalt.
Es gab in Griechenland zwei Arten von Republiken. Die einen waren militärisch, wie Sparta; die anderen handeltreibend, wie Athen. In den einen wollte MAN, dass die Bürger müßig seien. In den anderen bemühte MAN sich, ihnen Liebe zur Arbeit zu geben.
Schenkt doch bitte dem großen Genie dieser Gesetzgeber etwas Aufmerksamkeit, das sie brauchten, um zu sehen, dass sie, indem sie alle hergebrachten Gebräuche angriffen und alle Tugenden umwälzten, dem Universum ihre Weisheit zeigen würden. Lykurg verschmolz den Mundraub mit dem Geist der Gerechtigkeit, die härteste Sklaverei mit der äußersten Freiheit, die rohesten Gefühle mit der größten Mäßigung, und gab so seiner Stadt Stabilität. Er schien ihr alle Hilfsmittel wegzunehmen: die Künste, den Handel, Geld, Mauern. Man hat dort Ehrgeiz ohne Hoffnung wohlhabender zu werden; man hat dort natürliche Gefühle und ist weder Kind, noch Ehemann, noch Vater; die Scham sogar ist von der Keuschheit genommen. Auf diesem Wege wurde Sparta zu Größe und Ruhm geführt…
Das Außerordentliche, das man in den Einrichtungen der Griechen sah, haben wir auch in der Degeneration und Korruption der modernen Zeit gesehen. Ein ehrenwerter Gesetzgeber hat ein Volk geformt, wo die Rechtschaffenheit genauso natürlich scheint wie die Tapferkeit bei den Spartiaten. Herr Penn ist ein wahrhafter Lykurg, und wenn auch der erste den Frieden zum Ziel hatte und der andere den Krieg, so ähneln sie sich doch in dem einzigartigen Weg, auf den sie ihr Volk geschickt haben, in dem Einfluss, den sie auf freie Menschen gehabt haben, in den Vorurteilen, die sie besiegt haben, in den Leidenschaften, die sie bezwungen haben.
Paraguay kann uns ein anderes Beispiel liefern. Man hat es dem Jesuitenorden als Verbrechen anlasten wollen, dass er das Vergnügen zu befehlen für das einzig Gute im Leben hält. Aber es ist immer gut, die Menschen zu regieren und sie dadurch glücklicher zu machen.
Wer ähnliche Institutionen einrichten will, wird die Gütergemeinschaft der Platonischen Republik einrichten: den Respekt, den er für die Götter forderte; die Trennung von den Fremden zur Wahrung der Sitten; dass die Stadt den Handel macht und nicht die Bürger. Er wird uns Künste geben ohne unseren Luxus und unsere Bedürfnisse ohne unsere Begierden.
Der Hype des Tages mag noch so schreien: Das ist von Montesquieu, also ist es genial! erhaben! Ich habe Mut zu meiner Meinung und sage:
Was! Sie haben die Stirn das schön zu finden!
Aber das ist abstoßend! scheußlich! Und diese Auszüge, die ich vervielfachen könnte, zeigen, dass nach der Vorstellung von Montesquieu Personen, Freiheiten, Besitztümer, die ganze Menschheit nur geeignete Materialien sind, die Weisheit des Gesetzgebers anzuwenden.
ROUSSEAU. Obwohl dieser Publizist, die höchste Autorität der Demokraten, das soziale Gebäude auf dem Allgemeinen Willen gründet, hat niemand so vollständig wie er die gänzliche Passivität der Menschheit gegenüber dem Gesetzgeber postuliert.
Wenn es wahr ist, dass ein großer Fürst ein seltener Mensch ist, wie verhält es sich erst mit einem großen Gesetzgeber? Der erstere muss nur dem Modell folgen, dass der andere vorschlagen muss. Der eine ist der Ingenieur, der die Maschine entwirft, der andere nur der Arbeiter, der sie montiert und zum Laufen bringt.
Und was sind die Menschen bei alldem? Die Maschine, die montiert wird und läuft, oder eher das Rohmaterial, aus dem die Maschine gemacht ist!
So besteht zwischen dem Gesetzgeber und dem Fürsten, zwischen dem Fürsten und den Untertanen das selbe Verhältnis, wie zwischen dem Landwirtschaftsexperten, dem Bauern und der Ackerscholle. In welcher Höhe über der Menschheit schwebt also der Publizist, der die Gesetzgeber regiert und sie in diesen befehlerischen Worten ihr Gewerbe lehrt:
Wollen Sie dem Staat Zusammenhalt geben? Nähern sie die Extreme an, soweit es möglich ist. Dulden Sie weder Steinreiche noch Lumpenpack.
Ist der Boden uneben oder unfruchtbar oder das Land zu eng für die Einwohner, dann wendet Euch der Industrie und den Künsten zu, deren Produktion Ihr gegen Waren, die Ihnen fehlen tauschen werdet… Fehlen Euch auf gutem Boden die Einwohner, dann wendet Eure Aufmerksamkeit der Landwirtschaft zu, die die Menschen vermehrt, und verjagt die Künste, die nur die Entvölkerung des Landes besiegeln… Hat Euer Land ausgedehnte und leicht zugängliche Ufer, so bedeckt das Meer mit Schiffen, Ihr werdet eine glänzende und kurze Existenz haben. Umspült das Meer an Euren Küsten nur schroffe Felsen, bleibt barbarisch und nährt Euch von Fischen. Ihr werdet dabei ruhiger leben, besser vielleicht, und ganz sicher glücklicher. Mit einem Wort, außerhalb der Maximen, die allen gemeinsam sind, hat jedes Volk eigene Bedingungen, die es in einer besonderen Weise ordnen und seiner Gesetzgebung ihre Besonderheit nur für dieses Volk geben. So hatten einstmals die Hebräer und neulich die Araber die Religion zum ersten Prinzip, die Athener die Bildung, Karthago und Tyrus den Handel, Rhodos die Marine, Sparta den Krieg und Rom die Tugend. Der Autor vom Geist der Gesetze hat gezeigt, durch welche Kunst der Gesetzgeber die Institution zu jedem dieser Ziele lenkt… Aber wenn der Gesetzgeber sich in seinem Ziel täuscht und ein anderes Prinzip verfolgt als aus der Natur der Sache hervorgeht: dass das eine zur Knechtschaft neigt und das andere zur Freiheit; das eine zu Reichtümern, das andere zur Bevölkerung; das eine zum Frieden, das andere zu Eroberungen, – so wird man die Gesetze sich unmerklich abschwächen sehen, die Verfassung sich ändern, und der Staat wird mehr und mehr erschüttert werden, bis er zerstört ist oder verändert, und bis die unbesiegbare Natur ihr Reich zurückgewonnen hat.
Aber wenn die Natur hinreichend unbesiegbar ist, ihre Herrschaft zurückzugewinnen, warum gibt Rousseau nicht zu, dass sie keinen Gesetzgeber braucht, um von Anfang an zu herrschen? Warum gibt er nicht zu, dass die Menschen, wenn sie ihrer eigenen Initiative folgen, sich von selbst an ausgedehnten und zugänglichen Ufern dem Handel zuwenden werden, ohne dass sich ein Lykurg, ein Solon, ein Rousseau einmischen auf das Risiko, sich zu täuschen?
Wie dem auch sei, wir sehen die schreckliche Verantwortung, die nach Rousseau auf den Erfindern, Organisatoren, Führern, Gesetzgebern und Manipulatoren der Gesellschaften lastet. Er ist auch gegen sie sehr anspruchsvoll.
Wer zu unternehmen wagt, ein Volk zu regeln, muss sich in der Lage fühlen, sozusagen die menschliche Natur zu ändern, jedes Individuum, das für sich ein vollkommenes und einzigartiges Ganzes ist, zum Teil von einem größeren Ganzen umzubilden, von dem dieses Individuum, im Ganzen oder zum Teil, sein Leben und sein Sein empfängt; die menschliche Verfassung zu ändern, um sie zu stärken; eine teilweise und moralische Existenz anstelle der körperlichen und unabhängigen Existenz zu setzen, die wir alle von der Natur empfangen haben. Er muss, mit einem Wort, dem Menschen seine eigenen Kräfte nehmen, um ihm fremde zu geben…
Arme Menschheit, was wollten die Anhänger Rousseaus aus deiner Würde machen?
RAYNAL. Das Klima, das heißt der Himmel und die Sonne, sind die erste Vorgabe für den Gesetzgeber. Seine Ressourcen diktieren ihm seine Bedürfnisse. Zunächst muss er seine örtliche Lage untersuchen. Ein Volksstamm an der Meeresküste wird Schifffahrtsgesetze haben… Wenn die Kolonie im Binnenland errichtet wird, muss ein Gesetzgeber seine Beschaffenheit und Fruchtbarkeit vorhersehen…
Vor allem bei der Verteilung des Eigentums springt die Weisheit der Gesetzgebung ins Auge. Im Allgemeinen und in allen Ländern der Welt muss man, wenn man eine Kolonie gründet, die Ländereien an alle Menschen vergeben, dass heißt für jeden eine Fläche, die zum Unterhalt einer Familie ausreicht…
Auf einer einsamen Insel, die man mit Kindern bevölkerte, bräuchte MAN nur die Keime der Wahrheit mit der Entwicklung der Vernunft aufgehen zu lassen…Aber wenn MAN ein schon altes Volk in einem neuen Land ansiedelt, besteht die Kunst darin, ihm nur diejenigen schädlichen Meinungen und Gewohnheiten zu lassen, von denen man es nicht heilen und bessern kann. Will man hindern, dass sie sich vererben, dann wache MAN über die zweite Generation mit einer allgemeinen und öffentlichen Erziehung der Kinder. Ein Fürst, ein Gesetzgeber, gründe niemals eine Kolonie, ohne zuvor weise Männer für die Erziehung der Jugend dort hinzuschaffen… In einer entstehenden Kolonie stehen der Vorsorge des Gesetzgebers alle Mittel zur Verfügung, wenn er das Blut und die Sitten eines Volkes reinigen will. Wenn er Genie und Tugend hat, werden die Länder und die Menschen, die er in seinen Händen hat, seiner Seele einen Gesellschaftsplan eingeben, den ein Schriftsteller immer nur vage und unter unsicheren Annahmen skizzieren könnte, die schwanken und mit einer Unendlichkeit von Umständen komplizierter werden, zu schwierig vorherzusehen und zu kombinieren…
Glaubt man nicht zu hören, wie ein Landwirtschaftsprofessor seinen Studenten sagt: „Das Klima ist die erste Vorgabe für den Landwirt. Seine Ressourcen diktieren ihm seine Bedürfnisse. Zunächst muss er seine örtliche Lage untersuchen. Befindet er sich auf lehmigen Boden, muss er sich so verhalten. Hat er es mit Sand zu tun, seht her, wie er sich damit zurechtfindet. Alle Mittel stehen dem Landwirt zur Verfügung, der seinen Boden säubern und verbessern will. Versteht er sich auf die Kunst, so werden die Ländereien, die Düngemittel, die er in seinen Händen hat, ihm einen Ausbeutungsplan eingeben, den ein Professor nur vage und unter unsicheren Annahmen skizzieren kann, die schwanken und mit einer Unendlichkeit von Umständen komplizierter werden, schwierig vorherzusehen und zu kombinieren.“
Aber, Ihr erhabenen Schriftsteller, lasst Euch herab, Euch gelegentlich zu erinnern, dass dieser Lehm, dieser Sand, dieser Mist, über den ihr so beliebig verfügt, aus Menschen besteht, Euch ebenbürtig, intelligente und freie Wesen wie Ihr, die von Gott, wie Ihr, die Fähigkeit erhalten haben, zu sehen, vorzusorgen, für sich selbst zu denken und zu urteilen!
MABLY. (Er nimmt an, dass die Gesetze von dem Rost der Zeit zerfressen sind, die Sicherheit vernachlässigt, und fährt so fort:)
Es ist offensichtlich, dass sich die Machtbereiche der Regierung unter diesen Umständen abgeschwächt haben. Gebt ihnen neue Spannung (an den Leser wendet sich Mably hier), und das Übel wird behoben sein… Bemüht Euch weniger, die Fehler zu bestrafen als die Tugenden zu ermutigen, die Ihr braucht. Mit dieser Methode gebt Ihr Eurer Republik die Kraft der Jugend. Weil sie bei freien Völkern unbekannt war, haben diese ihre Freiheit verloren! Aber wenn die Fortschritte des Übels so groß sind, dass die gewöhnliche Verwaltung sie nicht wirksam beheben kann, zieht Euch eine außerordentliche Verwaltung heran, deren Amtszeit kurz und deren Macht beträchtlich ist. Die Vorstellungskraft der Bürger muss dann angestoßen werden…
Und ganz nach diesem Geschmack über zwanzig Bände.
Es gab eine Epoche, wo sich – unter dem Einfluss solcher Lehren, die die Grundlage der klassischen Erziehung sind – jeder außerhalb und über die Menschheit stellen wollte, um sie nach seiner Laune zu arrangieren, zu organisieren und einzurichten.
CONDILLAC. Erhebt Euch, mein Herr, zu einem Lykurg oder Solon. Bevor Ihr die Lektüre dieser Schrift weiterverfolgt, gönnt Euch das Vergnügen, irgendeinem wilden Volk Amerikas oder Afrikas Gesetze zu geben. Macht diese irrenden Menschen sesshaft; lehrt sie, Herden zu füttern…; arbeitet daran, die sozialen Qualitäten zu entwickeln, die die Natur in sie gelegt hat… Verordnet ihnen, anzufangen, Menschenpflichten auszuüben… Vergiftet durch Züchtigungen die Vergnügen, die die Leidenschaften bieten und Ihr werdet diese Barbaren mit jedem Artikel Eurer Gesetzgebung ein Laster verlieren und eine Tugend annehmen sehen.
Alle Völker hatten Gesetze. Aber wenige unter ihnen waren glücklich. Was ist der Grund dafür? Er liegt darin, dass die Gesetzgeber fast nie beachtet haben, dass das Ziel der Gesellschaft ist, die Familien durch ein gemeinsames Interesse zu einen.
Die Unparteilichkeit der Gesetze besteht in zweierlei: Gleichheit zu schaffen im Vermögen und in der Würde der Bürger… In dem Maße, wie Eure Gesetze größere Gleichheit einrichten, werden sie jedem Bürger teurer… Wie könnten der Geiz, der Ehrgeiz, die Wohllust, die Faulheit, der Müßiggang, der Neid, der Hass, die Eifersucht Menschen bewegen, die an Vermögen und Würde ebenbürtig sind, und denen die Gesetze keine Hoffnung lassen, die Gleichheit zu brechen? (Es folgt ein Idyll)
Das was man Euch über die spartanische Republik gesagt hat, muss Euch hierüber voll aufklären. Kein anderer Staat hat jemals Gesetze gehabt, die der Ordnung der Natur und der Gleichheit angemessener waren.
Es überrascht nicht, dass das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert die Menschheit als eine träge Masse angesehen haben, die alles, Form, Gestalt, Antrieb, Bewegung und Leben von einem großen Fürsten, einem großen Gesetzgeber, einem großen Genie erwartet und erhält. Diese Jahrhunderte waren erfüllt vom Studium der Antike, und die Antike bietet uns tatsächlich überall, in Ägypten, in Persien, in Griechenland, in Rom das Schauspiel einiger Männer, die die Menschheit nach Gutdünken manipulieren, die mit Gewalt oder Betrug dienstbar gemacht ist. Was beweist das? Eben weil sich Mensch und Gesellschaft vervollkommnen können, muss sich der Irrtum, die Unwissenheit, der Despotismus, die Sklaverei, der Aberglauben eher zu Beginn der Zeit häufen. Das Unrecht der Schriftsteller, die ich zitiert habe, ist nicht, Tatsachen festgestellt zu haben, sondern sie als Regel vorgeschlagen zu haben, zur Bewunderung und Nachahmung für zukünftige Völker. Ihr Unrecht ist, unverzeihlich kritiklos und in kindischem Konventionalismus für wahr genommen zu haben, was unvorstellbar ist, nämlich Größe, Würde, Moralität und Wohlstand dieser künstlichen Gesellschaften der alten Welt; nicht verstanden zu haben, dass die Zeit Aufklärung bringt und verbreitet; dass in dem Maße, wie sich die Aufklärung ausbreitet, Gewalt vor Recht zur Seite tritt und die Gesellschaft sich selbst in die Hand nimmt.
Und welcher Art ist nun die politische Arbeit, an der wir teilhaben? Sie ist nichts anderes als das instinktive Streben aller Völker nach Freiheit. Und was ist die Freiheit, dieses Wort, das die Macht hat, alle Herzen höher schlagen zu lassen und die Welt zu bewegen, wenn nicht die Gesamtheit aller Freiheiten: Freiheit des Gewissens, der Lehre, der Vereinigung, der Presse, der Wahl des Wohnsitzes, der Arbeit, des Handels; mit anderen Worten, die freie Ausübung aller unschädlichen Fertigkeiten für alle; in noch anderen Worten, die Zerstörung aller Despotismen, sogar der gesetzmäßigen Despotie, und die Zurückführung des Gesetzes auf seine einzige vernünftige Zuständigkeit, nämlich die, das individuelle Recht auf legitime Verteidigung zu regeln oder Ungerechtigkeit abzuwehren.
Dieses Streben der Menschheit ist freilich besonders in unserer Heimat gänzlich behindert von der verhängnisvollen Neigung aller Publizisten — Frucht klassischer Erziehung — sich außerhalb der Menschheit zu stellen, um sie zu arrangieren, zu organisieren, und nach ihrer Laune einzurichten.
Denn während die Gesellschaft sich bewegt, um die Freiheit zu verwirklichen, denken die großen Männer, die sich an ihre Spitze setzen – durchdrungen von den Prinzipien des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts – nur daran, sie unter den philanthropischen Despotismus ihrer sozialen Erfindungen zu beugen und sie – Rousseaus Ausspruch – fügsam das Joch öffentlicher Glückseligkeit tragen zu lassen, so wie sie es sich ausgedacht haben.
Man sah es 1789. Kaum war das Ancien Regime zerstört, beschäftigte man sich damit, die neue Gesellschaft anderen künstlichen Einrichtungen zu unterwerfen, immer in diesem Konsens: der Allmacht des Gesetzes.
SAINT-JUST. Der Gesetzgeber gebietet der Zukunft. An ihm liegt es, das Gute zu wollen. An ihm liegt es, die Menschen so zu machen, wie er sie haben will.
ROBESPIERRE. Die Aufgabe der Regierung ist es, die körperlichen und moralischen Kräfte der Nation auf das Ziel ihrer Institution zu lenken.
BILLAUD-VARENNES. Man muss das Volk neu schaffen, das man der Freiheit überlassen will. Denn man muss alte Vorurteile zerstören, alte Gewohnheiten ändern, verderbte Emotionen bessern, überflüssige Bedürfnisse beschneiden, eingefleischte Laster ausrotten. Es braucht also eine starke Tat, einen heftigen Anstoß … Bürger, die unbeugsame Strenge Lykurgs wurde in Sparta zur unerschütterlichen Basis der Republik, der schwache und vertrauende Charakter Solons stürzte Athen wieder in die Sklaverei. Diese Parallele enthält die ganze Wissenschaft des Regierens.
LEPELLETIER. Wenn ich bedenke, wie entartet die Menschheit ist, bin ich von der Notwendigkeit überzeugt, sie gänzlich aufzufrischen und sozusagen ein neues Volk zu erschaffen.
Die Menschen sind somit nur minderwertiges Material. Es ist nicht an ihnen, das Gute zu wollen — sie können es nicht — es ist Sache des Gesetzgebers, nach Saint-Just. Die Menschen sind nur, was er will, dass sie sind.
Nach Robespierre, der wörtlich Rousseau kopiert, beginnt der Gesetzgeber mit einer Zielvorgabe für die Institution der Nation. Dann brauchen die Regierungen nur noch alle körperlichen und moralischen Kräfte auf dieses Ziel zu lenken. Die Nation selbst bleibt bei all dem stets passiv, und Billaud-Varennes lehrt uns, dass sie nur die Vorurteile, Gewohnheiten, Gefühle und Bedürfnisse haben darf, die der Gesetzgeber erlaubt. Er geht soweit zu sagen, dass die unbeugsame Strenge eines Mannes die Basis der Republik ist.
Wir haben gesehen, dass Mably, falls das Übel so groß ist, dass die gewöhnliche Verwaltung ihm nicht abhelfen kann, die Diktatur empfiehlt, um die Tugend blühen zu lassen. „Zieht“, sagt er, „eine außerordentliche Verwaltung heran, deren Amtszeit kurz und deren Macht beträchtlich ist. Die Vorstellungskraft der Bürger muss dann angestoßen werden.“ Diese Lehre ist nicht verloren gegangen. Hören wir Robespierre:
Das Prinzip der republikanischen Regierung ist die Tugend, und ihr Mittel, während sie sich festigt, der Schrecken. Wir wollen in unserem Land den Egoismus durch Moral ersetzen, die Ehre durch Rechtschaffenheit, die Gewohnheiten durch Prinzipien, die Wohlerzogenheit durch Pflichten, die Tyrannei der Mode durch das Reich der Vernunft, die Verachtung des Unglücks durch die Verachtung des Lasters, die Unverschämtheit durch Stolz, die Eitelkeit durch Seelengröße, Geldbegierde durch Ruhmbegierde, gute Kumpanei durch Rechtschaffenheit, Intrige durch Verdienst, Schöngeist durch Genie, Aufsehen durch Wahrheit, die Langeweile der Lust durch den Zauber des Glücks, die Kleinlichkeit der Großen durch die menschliche Größe, ein liebenswertes, frivoles, elendes Volk durch ein großzügiges, mächtiges, glückliches Volk – das heißt alle Laster und Lächerlichkeiten der Monarchie durch alle Tugenden und Wunder der Republik.
Wie hoch über den Rest der Menschheit hebt sich hier Robespierre! Und bemerken Sie die Umstände unter denen er spricht. Er beschränkt sich nicht darauf, den Wunsch nach einer großen Erneuerung des menschlichen Herzens auszudrücken; er hält sich nicht einmal dabei auf, dass sie aus einer geregelten Regierung hervorgehen soll. Nein, er will sie selbst hervorbringen — und zwar durch Schrecken. Die Rede, aus der diese kindisch zusammengestoppelte Flut von Antithesen genommen ist, hat zum Ziel, die moralischen Prinzipien herauszustellen, die eine revolutionäre Regierung leiten müssen. Bemerken Sie, dass Robespierre nicht nur die Diktatur fordert, um das Ausland zurückzuweisen und die Parteien zu bekämpfen. In Wahrheit will er durch den Schrecken und — bevor die Verfassung ins Spiel kommt — seine eigenen Prinzipien von Moral durchsetzen. Sein Anspruch geht nicht weniger weit, als im Lande durch Terror den Egoismus auszurotten, und weiterhin Ehre, Gewohnheiten, Wohlerzogenheit, Mode, Eitelkeit, Geldgier, Kumpanei, Intrige, Schöngeist, Lust und Elend.
Erst nachdem er, Robespiere, diese Wunder vollbracht hat — wie er sie mit Recht nennt —, wird er den Gesetzen erlauben ihre Herrschaft wiederzugewinnen. — Ach Elende! Ihr glaubt Euch so groß, die Menschheit so klein, wollt alles reformieren. Reformiert Euch selbst, diese Aufgabe reicht für Euch.
Indessen fordern die Herren Reformatoren, Gesetzgeber und Publizisten im Allgemeinen nicht, über die Menschheit eine unmittelbare Despotie auszuüben. Nein, sie sind zu gemäßigt und zu philanthropisch dafür. Sie fordern nur die Despotie, den Absolutismus, die Allmacht des Gesetzes. Sie streben nur an, das Gesetz zu machen.
Um zu zeigen, wie allgemein diese seltsame Geistesverfassung in Frankreich verbreitet war, müsste ich nicht nur den ganzen Mably, den ganzen Raynal, den ganzen Rousseau, den ganzen Fénelon, lange Auszüge aus Bossuet und Montesquieu kopieren sondern auch noch das ganze Protokoll der Sitzungen des Konvents. Ich hüte mich davor wohl und verweise den Leser darauf.
Wie man sich denken kann, gefiel diese Idee Bonaparte. Er ergriff sie mit Feuer und setzte sie energisch in die Praxis um. Er sah sich als Chemiker und in Europa nur eine Materie für Experimente. Aber bald erwies sich diese Materie als ein gewaltiges Reaktiv. Dreiviertel desillusioniert, schien Bonaparte auf Sankt-Helena zu erkennen, dass die Völker einen gewissen Eigenwillen haben, und er zeigte sich weniger feindlich gegen die Freiheit. Dies hinderte ihn indes nicht, in seinem Testament seinem Sohn die Lehre zu geben: „Regieren heißt Moralität, Bildung und Wohlergehen verbreiten.“
Brauchen wir noch weitere ermüdende Zitate, um die Gedankenwelt von Morelly, Babeuf, Owen, Saint-Simon, Fourier sichtbar machen? Ich beschränke mich darauf, dem Leser einige Auszüge des Buches von Louis Blanc über die Organisation der Arbeit vorzulegen.
In unserem Projekt empfängt die Gesellschaft den Antrieb durch die Macht.
Worin besteht der Antrieb, den die Macht der Gesellschaft gibt? Darin, ihr das Projekt von Herrn L. Blanc aufzuzwingen.
Die Gesellschaft andererseits ist die Menschheit.
Also erhält schließlich die Menschheit den Antrieb von Herrn L. Blanc.
Steht ihm frei, wird man sagen. Ohne Zweifel steht es der Menschheit frei, Ratschlägen von irgendwem zu folgen. Aber so versteht Herr L. Blanc die Sache nicht. Er strebt an, dass sein Projekt in Gesetz umgewandelt wird und folglich mit Gewalt von der Macht umgesetzt wird.
In unserem Projekt regelt der Staat nur die Arbeit durch Gesetze (entschuldigen Sie diese Kleinigkeit), Kraft derer sich die industrielle Bewegung in völliger Freiheit entwickeln kann und muss. Er (der Staat) setzt die Freiheit nur auf einen Hang (nur das), den sie — einmal auf den Weg gebracht —, aufgrund von Sachzwängen und einer natürlichen Folge des eingerichteten Mechanismus hinabsinkt.
Aber was ist dieser Hang? — Der von Herrn L. Blanc gezeigte. — Führt er nicht in Abgründe? — Nein er führt zu Glück. — Warum bringt sich die Gesellschaft also nicht selbst auf den Weg? — Weil sie nicht weiß, was sie will, und Antrieb braucht. — Wer wird ihr diesen Antrieb geben? — Die Macht. — Und wer wir der Macht den Antrieb geben? — Der Erfinder des Mechanismus, Herr L. Blanc.
Wir werden diesem Kreis nie entkommen: Die passive Menschheit und ein bedeutender Mann, der sie mittels gesetzlichen Eingriffen führt. Wird die Gesellschaft wenigstens etwas Freiheit genießen, wenn sie einmal auf diesem Hang ist? — Ohne Zweifel. — Und was ist Freiheit?
Sagen wir es ein für alle Mal: Die Freiheit besteht nicht nur im zugestandenen RECHT, sondern in der MACHT, die dem Menschen gegeben ist, seine Fertigkeiten auszuüben, zu entwickeln, unter Herrschaft der Gerechtigkeit und unter Wahrung des Gesetzes.
Und dies ist keine lehre Unterscheidung: Ihr Sinn ist tief, ihre Folgen sind gewaltig. Denn sobald man zugesteht, dass der Mensch, um wahrhaft frei zu sein, die MACHT braucht, seine Fertigkeiten auszuüben und zu entwickeln, folgt, dass die Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder angemessene Bildung schuldet, ohne die sich der menschliche Geist nicht entfalten kann, sowie Mittel zur Arbeit, ohne die die menschliche Tätigkeit nicht begonnen werden kann. Nun, durch wessen Eingriff wird die Gesellschaft jedem ihrer Mitglieder angemessene Bildung und die nötigen Arbeitsmittel geben, wenn nicht durch den Eingriff des Staates?
So ist die Freiheit die Macht. — Und worin besteht diese MACHT? — Darin Bildung und Arbeitsmittel zu besitzen. — Wer wird Bildung und Arbeitsinstrumente vergeben? — Die Gesellschaft, die sie schuldet . — Durch wessen Eingriff wird die Gesellschaft Arbeitsmittel an die, die sie nicht haben, vergeben? — Durch den Eingriff des Staates. — Von wem wird der Staat sie nehmen?
Mag der Leser antworten und sehen, wohin all dies führt. Eines der seltsamsten Phänomene unserer Zeit – das wahrscheinlich unsere Nachkommen sehr erstaunen wird – ist, dass die Lehre, die sich auf diese dreifache Hypothese: die radikale Leblosigkeit der Menschheit, die Allmacht des Gesetzes, die Unfehlbarkeit des Gesetzgebers stützt, das Glaubensbekenntnis derjenigen Partei ist, die allein sich demokratisch nennt.
Es ist wahr, dass sie sich auch sozial nennt.
Soweit demokratisch hat sie grenzenlosen Glauben in die Menschheit.
Soweit sozial achtet sie sie wie den letzten Dreck.
Handelt es sich um politische Rechte, handelt es sich darum, aus seiner Mitte den Gesetzgeber hervorgehen zu lassen, ja dann hat, ihrer Meinung nach, das Volk die Weisheit mit Löffeln gefressen. Es ist ausgestattet mit bewundernswertem Feingefühl, sein Wille ist immer recht, der Allgemeine Wille kann sich nicht irren. Das Wahlrecht kann nicht allgemein genug sein. Niemand schuldet der Gesellschaft irgendeine Garantie. Der Wille und die Fähigkeit gut zu entscheiden verstehen sich von selbst. Kann das Volk sich täuschen? — Leben wir nicht im Zeitalter der Aufklärung? Was also! Soll das Volk ewig bevormundet werden? Hat es nicht seine Rechte mit genügend Mühe und Opfern erkämpft? Hat es nicht genügend Beweise seiner Intelligenz und Weisheit gegeben? Ist es nicht zur Mündigkeit gelangt? Ist es nicht in der Lage für sich selbst zu urteilen? Kennt es nicht seine Interessen? Wagt da etwa ein Mann oder eine Klasse, das Recht zu fordern, sich an die Stelle des Volks zu setzen, für es zu entscheiden und zu handeln? Nein, nein, das Volk will frei sein und wird es sein. Es will seine eigenen Angelegenheiten regeln und wird sie regeln.
Aber ist Gesetzgeber einmal durch Wahl aus den Wahlversammlungen hervorgegangen, ja dann ändert sich die Sprache. Die Nation fällt in die Passivität zurück, in die Trägheit, ins Nichts; und der Gesetzgeber wird allmächtig. Sein die Erfindung, sein die Richtung, sein der Antrieb, sein die Organisation. Die Menschheit muss sich nur gehen lassen, die Stunde des Despotismus hat geschlagen. Und bemerken Sie, dass dies fatal ist; denn das Volk, eben noch so aufgeklärt, so gesittet, so vollkommen, hat nun keine Neigungen mehr, oder, wenn es welche hat, führen sie alle zum Niedergang. Und wenn man ihm ein bisschen Freiheit ließe! Aber wissen Sie nicht, dass — nach Herrn Considérant – Freiheit schicksalhaft zum Monopol führt? Wissen Sie nicht, dass die Freiheit die Konkurrenz ist? Dass Konkurrenz — nach Herrn L. Blanc — für das Volk ein System der Vernichtung, für die Bourgeoisie eine Ursache des Ruins ist? Dass deshalb die Völker umso ausgerotteter und ruinierter sind, je freier sie sind, dies bezeugen die Schweiz, Holland, England und die Vereinigten Staaten? Wissen Sie nicht, dass die Konkurrenz — immer nach Herrn L. Blanc — zum Monopol führt und dass aus dem selben Grund niedrige Preise zu Teuerungen führen? Dass die Konkurrenz dazu neigt, die Quellen des Konsums auszutrocknen und die Produktion in eine alles verschlingende Tätigkeit treibt? Dass die Konkurrenz die Produktion zwingt zu wachsen und den Konsum zu schrumpfen — woraus folgt, dass freie Völker produzieren, um nicht zu konsumieren. Dass sie zugleich Unterdrückung und Wahnsinn ist, und dass es absolut notwendig ist, dass Herr L. Blanc sich hier einmischt?
Übrigens, welche Freiheit könnte man den Menschen lassen? Etwa Gewissensfreiheit? Aber sie werden alle die Erlaubnis nutzen, um Atheisten zu werden. Die Freiheit in der Lehre? Aber die Väter werden sogleich Lehrer bezahlen, um ihren Söhnen Sittenlosigkeit und Irrtum zu lehren. Im Übrigen wäre — glaubt man Herrn Thiers —, die Lehre, die der nationalen Freiheit überlassen worden wäre, nicht mehr national und wir würden unsere Kinder in den Ideen der Türken und Hindus unterrichten, anstatt dass sie dank dem gesetzmäßigen Despotismus der Universitäten das Glück haben, in den edlen Ideen der Römer aufgezogen zu werden. Die Freiheit der Arbeit? Aber das ist die Konkurrenz, die dafür sorgt, dass alle Produkte unkonsumiert bleiben, das Volk ausgerottet und die Bourgeoisie ruiniert wird. Den Freihandel? Aber bekanntlich, die Protektionisten haben es zur Genüge bewiesen, ruiniert ein Mensch sich, wenn er frei handelt und man muss, um reich zu werden, ohne Freiheit Handel treiben. Versammlungsfreiheit? Aber nach der sozialistischen Lehre schließen sich Freiheit und Versammlung aus, denn die Menschen sollen ja nur ihrer Freiheit beraubt werden, um sie zwangszuvereinigen.
Sie sehen also wohl, dass die sozialistischen Demokraten den Menschen guten Gewissens keinerlei Freiheit lassen können, da diese aus sich heraus, wenn jene Herren hier nicht für Ordnung sorgen, in jeder Hinsicht zu Verfall und Amoral neigen.
Bleibt zu erkunden, auf welcher Grundlage man in diesem Fall für sie mit solcher Hartnäckigkeit das allgemeine Wahlrecht fordert.
Die Ansprüche der Organisatoren rufen eine andere Frage hervor, die ich ihnen oft gestellt habe, und auf die sie, soweit ich weiß, nie geantwortet haben. Wenn die natürlichen Neigungen der Menschheit so schlecht sind, dass man ihr die Freiheit nehmen muss, wie kommt es dann, dass die Neigungen der Organisatoren gut sind? Gehören die Gesetzgeber und ihre Vertreter nicht zur Menschheit? Sind sie aus anderem Lehm geknetet als der Rest der Menschen? Sie sagen, die Gesellschaft müsse, sich selbst überlassen, schicksalhaft in den Abgrund laufen, weil ihre Instinkte pervers sind. Sie geben vor, sie auf diesem Hang aufzuhalten und ihr eine bessere Richtung aufzuzwingen. Sie haben also vom Himmel eine Intelligenz und Tugenden bekommen, die sie außerhalb und über die Menschheit stellen — sollen sie ihre Titel vorweisen. Sie wollen Hirten sein, sie wollen, dass wir die Herde sind. Dieses Verhältnis setzt bei ihnen eine überlegene Natur voraus, für die wir wohl das Recht haben, im vorhinein einen Beweis zu fordern.
Beachten Sie: Ich streite ihnen nicht das Recht ab, soziale Kombinationen zu erfinden, sie zu verkünden, zu ihnen zu raten, sie bei sich selbst, zu ihrem Gewinn und auf ihr Risiko, auszuprobieren. Aber ich streite ihnen wohl das Recht ab, sie uns über die Vermittlung des Gesetzes — das heißt der öffentlichen Gewalten und Gelder — aufzuerlegen.
Ich fordere, dass die Cabétisten, Fouriéristen, Proudhonier, Akademiker, Protektionisten nicht ihre besonderen Ideen aufgeben, sondern jene Idee, die ihnen gemeinsam ist, uns gewaltsam in ihre Gruppen und Klassen zu zwingen, in ihre Genossenschaftswerkstätten, ihre Gratisbank, ihre griechisch-römischen Moral, ihre Fesselung des Geschäftslebens. Was ich von ihnen fordere, ist uns die Möglichkeit zu lassen, ihre Pläne zu prüfen und uns nicht in ihre Pläne direkt oder indirekt hineinzuziehen, wenn wir finden, dass diese unsere Interessen verletzen, oder wenn sie unserem Gewissen zuwiderlaufen.
Denn die Anmaßung, Macht und Steuer eingreifen zu lassen, unterdrückt und raubt nicht nur, sie setzt auch wieder dieses Vorurteil voraus: Die Unfehlbarkeit des Organisators und die Unfähigkeit der Menschheit.
Und wenn die Menschheit unfähig ist, für sich selbst zu urteilen, was redet man uns dann von allgemeinem Wahlrecht?
Dieser Widerspruch in den Ideen spiegelt sich leider in den Tatsachen, und während das französische Volk alle anderen in der Eroberung seiner Rechte überholt hat, oder eher seiner politischen Garantien, ist es nichtsdestoweniger das regierteste, dirigierteste, verwaltetste, besteuertste, eingeengteste und ausgebeutetste aller Völker geblieben.
Es ist unter allen auch jenes, wo die Revolutionen am unmittelbarsten drohen, und das muss so sein.
Solange man von der Idee ausgeht, die von allen Publizisten und so energisch von Herrn L. Blanc in diesen Worten vertreten wird: „Die Gesellschaft empfängt den Antrieb durch die Macht“, solange die Menschen sich selbst für empfänglich aber passiv halten, unfähig, sich durch eigene Wahrnehmung und aus eigener Energie zu irgendeiner Moral zu erheben, zu einem Wohlbefinden, und nur alles vom Gesetz erwarten — mit einem Wort, wenn sie annehmen, dass ihr Verhältnis zum Staat das der Herde zum Hirten ist — dann ist klar, dass die Verantwortung der Macht gewaltig ist. Das Wohl und Übel, Tugend und Laster, Gleichheit und Ungleichheit, Überfluss und Elend, alles leitet sich von ihr ab. Ihr wird alles angerechnet, sie unternimmt alles, sie macht alles. Also verantwortet sie alles. Wenn wir glücklich sind, fordert sie mit gutem Recht unsere Dankbarkeit, aber wenn wir elend sind, können wir nur ihr die Schuld dafür geben. Verfügt sie nicht im Prinzip über unsere Person und unser Hab und Gut? Ist das Gesetz nicht allmächtig? Indem sie das Monopol für Universitäten geschaffen hat, hat sie es auf sich genommen, die Hoffnungen der Familienväter zu erfüllen, die dann keine Freiheit mehr haben; und wenn diese Hoffnungen enttäuscht werden, wer hat die Schuld? Indem sie die Industrie reguliert hat, hat sie es auf sich genommen, sie gedeihen zu lassen, sonst wäre es unsinnig gewesen, ihr die Freiheit zu nehmen; und wenn sie leidet, wer hat die Schuld? Indem sie eingreift, um durch das Jonglieren mit Zöllen die Handelsbilanz auszugleichen, hat sie es auf sich genommen, den Handel blühen zu lassen; und wenn er, weit davon entfernt zu blühen, zusammenbricht, wer hat die Schuld? Indem sie den Schifffahrtsindustrien Schutz im Tausch für ihre Freiheit zugesteht, hat sie es auf sich genommen, sie lukrativ zu machen; und wenn sie Verlust machen, wer hat die Schuld?
So gibt es kein Leiden in der Nation, für das die Regierung sich nicht freiwillig verantwortlich gemacht hätte. Ist es dann erstaunlich, dass jedes Leiden Grund zur Revolution ist?
Und was soll das Heilmittel sein? Den Bereich des Gesetzes unendlich zu erweitern, das heißt, die Verantwortung der Regierung.
Aber wenn die Regierung es auf sich nimmt, die Löhne zu erhöhen und zu regeln, und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt allem Unglück beizustehen, und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt, die Renten aller Arbeiter zu sichern und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt, alle Arbeiter mit Arbeitsmitteln auszustatten und kann es nicht; wenn sie es auf sich nimmt, allen Überschuldeten Gratiskredite zu gewähren und kann es nicht; wenn, nach den Worten, die wir mit Bedauern aus der Feder von Herrn de Lamartine fließen sehen haben, „der Staat sich die Aufgabe stellt, die Seele der Völker aufzuklären, zu entwickeln, zu vergrößern, zu stärken, zu vergeistigen und zu heiligen“, und scheitert, — ist dann nicht offensichtlich, dass am Ende jeder, leider! mehr als wahrscheinlichen Enttäuschung, eine nicht weniger unausweichliche Revolution steht?
Ich nehme meine These wieder auf und sage: Unmittelbar nach der Volkswirtschaft und am Beginn der Politologie stellt sich eine entscheidende Frage. Das ist diese:
Was ist das Gesetz? Was muss es sein? Was ist sein Wirkungsfeld? Was sind seine Grenzen? Wo hören folglich die Zuständigkeiten des Gesetzgebers auf?
Ich zögere nicht zu antworten: Das Gesetz ist die organisierte Kollektivgewalt, um der Ungerechtigkeit Widerstand zu leisten; oder kurz: DAS GESETZ IST DIE GERECHTIGKEIT.
Es ist nicht wahr, dass der Gesetzgeber über unsere Personen und unsere Besitztümer absolute Gewalt hat, denn sie existierten vorher und seine Aufgabe ist es, sie mit Garantien zu umgeben.
Es ist nicht wahr, dass das Gesetz zur Aufgabe hat, unsere Gewissen zu regieren, unsere Ideen, unseren Willen, unsere Bildung, unsere Gefühle, unsere Arbeit, unseren Handel, unsere Gaben, unsere Genüsse.
Seine Aufgabe ist, zu hindern, dass in einer dieser Angelegenheiten das Recht des Einen in das Recht des Anderen übergreift.
Das Gesetz, weil es als notwendige Sanktion die Gewalt hat, kann keinen anderen legitimen Bereich haben, als den legitimen Bereich der Gewalt, nämlich: die Gerechtigkeit.
Und wie jedes Individuum nur das Recht hat, im Falle legitimer Verteidigung auf Gewalt zurückzugreifen, kann die kollektive Gewalt, die nur eine Vereinigung individueller Gewalten ist, vernünftigerweise nicht zu einem anderen Zweck angewendet werden.
Das Gesetz ist also nur die Organisation des vorherbestehenden Rechtes auf legitime Verteidigung.
Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.
Dass es – selbst mit philanthropischen Ziel – Personen unterdrücken oder Besitztümer rauben kann, ist so falsch, wie es seine Aufgabe ist, diese zu beschützen.
Und man sage nicht, dass es zumindest philanthropisch sein könnte, vorausgesetzt es enthielte sich jeder Unterdrückung, jedes Raubes. Dies ist widersprüchlich. Das Gesetz kann nicht über unsere Personen und unser Wohl verfügen. Wenn es sie nicht garantiert, verletzt es sie allein dadurch, dass es verfügt, durch seine reine Existenz.
Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.
Sehen Sie, was so klar ist, einfach, perfekt definiert und eingegrenzt, jeder Intelligenz zugänglich, jedem Auge sichtbar, denn die Gerechtigkeit ist eine gegebene Größe, unwandelbar, unveränderbar, die weder mehr noch weniger zulässt.
Gehen Sie darüber hinaus, machen Sie das Gesetz religiös, brüderlich, angleichend, philanthropisch, industriell, literarisch, künstlerisch, sofort sind sie im Unendlichen, im Ungewissen, im Unbekannten, in einer aufgezwungenen Utopie, oder, was schlimmer ist, in der Vielzahl der Utopien, die darum kämpfen, sich des Gesetzes zu bemächtigen und sich umzusetzen. Denn die Brüderlichkeit, die Philanthropie haben nicht wie die Gerechtigkeit feste Grenzen. Wo machen Sie halt? Wo macht das Gesetz halt? Der eine, wie Herr de Saint-Cricq, wird seine Philosophie nur auf einige industrielle Klassen anwenden, und er wird vom Gesetz fordern, dass es über die Konsumenten zu Gunsten der Produzenten verfügt . Der andere, wie Herr Considérant, wird das Anliegen der Arbeiter in die Hand nehmen und er wird für sie vom Gesetz ein garantiertes MINIMUM fordern, Kleidung, Wohnung, Nahrung und alle zum Unterhalt notwendigen Dinge . Ein Dritter, Herr L. Blanc, wird mit Recht sagen, dass dies nur der Anfang der Brüderlichkeit ist und dass das Gesetz allen Arbeitsmittel und Ausbildung geben muss. Ein vierter wird zur Geltung bringen, dass ein solches Arrangement noch Ungleichheit Raum lässt und dass das Gesetz in die abgelegensten Weiler Luxus, Literatur und Künste bringen muss. Sie werden so bis zum Kommunismus kommen, oder eher wird die Gesetzgebung — wie sie es jetzt schon ist — das Schlachtfeld aller Träumereien und aller Begehrlichkeiten sein.
Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.
So erhält man eine einfache, unerschütterliche Regierung. Und woher sollte auch der Gedanke an eine Revolution kommen, an einen Aufstand, an eine einfache Meuterei gegen eine öffentliche Gewalt, die darauf beschränkt ist, die Ungerechtigkeit zu unterdrücken. Unter einer solchen Herrschaft gäbe es mehr Wohlstand, der Wohlstand wäre gleichmäßiger verteilt, und niemand dächte daran, die Regierung für Leiden anzuklagen, die von der Menschheit untrennbar sind, denen sie ebenso fremd gegenüber stünde wie den Veränderungen der Temperatur. Hat sich das Volk jemals gegen das Kassationsgericht erhoben oder ist in den Amtssitz des Friedensrichters eingefallen, um den Minimallohn zu fordern, den Gratiskredit, die Arbeitsmittel, Zollvergünstigungen, oder die Genossenschaftswerkstatt? Es weiß wohl, dass diese Einrichtungen außerhalb der Macht des Richters liegen, und es würde genauso lernen, dass sie außerhalb der Macht des Gesetzes liegen.
Aber stellen Sie das Gesetz auf den Grundsatz der Brüderlichkeit, verkünden Sie, dass sich von ihm Wohl und Übel ableiten, dass es für jeden individuellen Schmerz verantwortlich ist, für jede soziale Ungleichheit, und Sie werden einer endlosen Folge von Klagen, Hass, Problemen und Revolutionen Tür und Tor öffnen.
Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.
Und es wäre ganz merkwürdig, wenn es billigerweise etwas anderes sein könnte! Ist nicht die Gerechtigkeit das Recht? Sind die Rechte nicht gleich? Warum greift dann das Gesetz ein, um mich den sozialen Plänen der Herren Mimerel, de Melun, Thiers, Louis Blanc zu unterwerfen, statt diese Herrn meinen Plänen zu unterwerfen? Bin ich denn nicht von Natur mit genug Vorstellungsvermögen ausgestattet, um auch eine Utopie zu entwerfen? Ist die Rolle des Gesetzes, eine Wahl zu treffen zwischen so vielen Chimären und die öffentliche Gewalt einer von ihnen dienstbar zu machen?
Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.
Und man behaupte nicht unablässig, dass das Gesetz, so konzipiert — atheistisch, individualistisch und ohne Bindungen —, die Menschheit nach seinem Bild formen wird. Dies ist ein absurder Schluß, wohl würdig jener abgöttischen Bewunderung der Regierung, die das Gesetz für die Menschheit hält.
Was also? Daraus, dass wir frei sein werden, folgt dass wir aufhören werden zu handeln? Daraus, dass wir keinen Antrieb vom Gesetz erhalten, folgt, dass wir antriebslos werden? Daraus, dass das Gesetz sich darauf beschränken wird, uns die freie Ausübung unserer Fertigkeiten zu garantieren, folgt, dass unsere Fertigkeiten mit Energielosigkeit belegt werden? Daraus, dass das Gesetz uns nicht Formen der Religion, Arten der Vereinigung und Methoden der Lehre, Vorgehensweisen der Arbeit, Ausrichtungen des Handels und Planungen der Wohltätigkeit auferlegen wird, folgt, dass wir uns geradewegs in den Atheismus stürzen werden, in die Isolation, die Unwissenheit, das Elend und den Egoismus? Folgt, dass wir nicht mehr die Macht und Güte Gottes zu erkennen wüssten, wüssten, uns zu vereinigen, für einander einzustehen, zu lieben und unseren unglücklichen Brüdern beizustehen, die Geheimnisse der Natur zu studieren und die Vervollkommnung unseres Wesens anzustreben?
Das Gesetz ist die Gerechtigkeit.
Und unter dem Gesetz der Gerechtigkeit, unter der Herrschaft des Rechts, unter dem Einfluss der Freiheit, der Sicherheit, der Stabilität, der Verantwortung, wird jeder Mensch zu seinem vollen Wert kommen, zur vollen Würde seines Wesens, und die Menschheit wird mit Ordnung, mit Ruhe – ohne Zweifel langsam – aber mit Gewissheit den Fortschritt vorantreiben, der ihre Bestimmung ist.
Es scheint mir, dass die Theorie auf meiner Seite ist. Denn jede Frage, die ich zur Erwägung stelle, ob sie religiös ist, philosophisch, politisch, volkswirtschaftlich; ob es sich um den Wohlstand handelt, um Moral, um Gleichheit, um Recht, um Gerechtigkeit, um Fortschritt, um Verantwortung, um Solidarität, um Eigentum, um Arbeit, um Handel, um Kapital, um Löhne, um Steuern, um Bevölkerung um Kredit, um Regierung; an welchen Punkt am wissenschaftlichen Horizont ich auch den Ausgangspunkt meiner Untersuchungen lege, immer ende ich unverändert dabei: die Lösung des sozialen Problems liegt in der Freiheit.
Und habe ich nicht auch die Erfahrung für mich? Werfen Sie einen Blick auf den Globus! Welches sind die glücklichsten Völker, die moralischsten, die friedlichsten? Diejenigen, wo das Gesetz am wenigsten in die private Tätigkeit eingreift, wo sich die Regierung am wenigsten fühlbar macht, wo die Individualität den größten Spielraum hat und die öffentliche Meinung am meisten Einfluss, wo die Räderwerke der Verwaltung am wenigsten zahlreich und am unkompliziertesten sind, die Steuern am wenigsten drückend und am wenigsten ungleich, die Unzufriedenheiten des Volkes am wenigsten heftig und am wenigsten zu rechtfertigen, wo die Verantwortung der Individuen und der Klassen am regsamsten ist und wo folglich die Sitten, wenn sie nicht perfekt sind, unfehlbar danach streben, sich richtigzustellen, wo Transaktionen, Konventionen, Vereinigungen am wenigsten beschränkt sind, wo die Arbeit, das Kapital, der Glaube an Gott am meisten in den Erfindungen der Menschen vorwiegt, diejenigen mit einem Wort, die die folgende Lösung am besten treffen: in den Grenzen des Rechts, alles über die freie und vervollkommnungsfähige Spontanität des Menschen, nichts über das Gesetz oder die Gewalt außer der universellen Gerechtigkeit.
Es muss einmal gesagt werden: Es gibt zu viele große Männer auf der Welt; es gibt zu viele Gesetzgeber, Organisatoren; Einrichter von Gesellschaften, Führer des Volkes, Väter der Nation, etc. Zu viele Menschen stellen sich außerhalb der Menschheit, um sie zu regieren, zu viele Menschen machen einen Beruf daraus, sich um sie zu kümmern.
Man mag entgegnen: Sie kümmern sich ganz gut darum, Sie die sprechen. Das ist wahr. Aber offenbar geschieht dies in einem ganz anderen Sinne und von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus, und wenn ich mich unter die Reformatoren mische, geschieht das nur, um sie dazu zu bringen abzulassen.
Ich kümmere mich darum nicht wie Vaucanson um seinen Automat, sondern wie ein Physiologe des menschlichen Organismus: um ihn zu studieren und zu bewundern.
Ich kümmere mich darum in dem Geiste, der einen berühmten Reisenden beseelte.
Er traf auf einen wilden Stamm. Ein Kind war gerade geboren worden und ein Gedränge von Wahrsagern, Hexern, Empirikern umringten es, bewaffnet mit Ringen, Haken und Bändern. Der eine sagte: „Dies Kind wird nie den Duft einer Friedenspfeife riechen, wenn ich ihm nicht die Nasenflügel verlängere.“ Ein andere: „Es wird des Gehörs beraubt sein, wenn ich ihm nicht die Ohren bis zu den Schultern herabziehe.“ Ein dritter: „Es wird nicht das Licht der Sonne sehen, wenn ich nicht seinen Augen eine schräge Ausrichtung gebe.“ Ein vierter: „Es wird sich niemals aufrecht halten, wenn ich ihm nicht die Beine krümme.“ Ein fünfter: „Es wird nicht denken, wenn ich nicht sein Hirn zusammendrücke.“ „Zurück“, sagt der Reisende. „Gott weiß, was er tut; habt nicht den Anspruch, mehr davon zu verstehen als er, und da er dieser zerbrechlichen Kreatur Organe gegeben hat, lasst seine Organe sich entwickeln, sich kräftigen durch Übung, durch Erprobung, Erfahrung und Freiheit.“
Gott hat auch in die Menschheit alles gelegt, was sie braucht, um ihre Bestimmung zu erfüllen. Es gibt eine gesellschaftliche Physiologie der Vorsehung wie es eine menschliche Physiologie der Vorsehung gibt. Auch die gesellschaftlichen Organe sind ausgelegt, um sich harmonisch zu entwickeln unter der großartigen Luft der Freiheit. Zurück also Empiriker und Organisatoren! Zurück ihre Ringe, ihre Ketten, ihre Haken, ihre Zangen! Zurück ihre künstlichen Mittel! Zurück ihre Genossenschaftswerkstätten, ihre kommunistische Produktionsgemeinschaft, ihr Regulierungswahn, ihre Zentralisierung, ihre Zölle, ihre Beschränkungen, ihre Moralisierung oder ihre Angleichung durch Steuer! Und nachdem man vergeblich dem gesellschaftlichen Körper so viele Systeme auferlegt hat, möge man da enden, wo man hätte beginnen sollen, möge man die Systeme zurückweisen, möge man endlich die Freiheit auf die Probe stellen — die Freiheit, die ein Akt des Glaubens an Gott und sein Werk ist.
- Man beachte, dass dieser Text 13 Jahre vor Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs geschrieben wurde. (Die Übersetzer) [↩]