21. Februar 1847
In der Sitzung vom 9. Februar lenkte Herr Leon Faucher die Aufmerksamkeit der Kammer auf die fiskalischen Verhältnisse, die in England die Handelsreformen beschleunigt haben. Sie zeigen eine Verkettung ebenso interessanter wie lehrreicher Umstände, über die unsere Leser, insbesondere wenn sie privilegierte Industrien betreiben, ernsthaft nachdenken sollten. Sie lernen daraus vielleicht, dass Monopole ebenso wie hohe Steuern nicht immer das bringen, was sie scheinbar versprechen.
Als im Jahr 1837 der Aufstand in Kanada die Ausgaben erhöhte, und damit eine Abnahme der Einnahmen einherging, war die Haushaltsbilanz in England aus dem Gleichgewicht und zeigte ein erstes Defizit von 16 Millionen Franc.
Das folgende Jahr ergab ein weiteres Defizit von 10 Millionen, 1839 einen Ausfall von 37 Millionen und 1840 eines von 40 Millionen.
Die Verwaltung dachte ernstlich darüber nach, diese immer größer werdende Wunde zu schließen. Sie hatte die Wahl zwischen zwei Mitteln: die Ausgaben zu vermindern oder die Einnahmen zu erhöhen. Sei es, dass in den Augen des Ministeriums die möglichen Reformen erster Art seit 1815 ausgeschöpft waren, sei es, dass es sich, nach der Gewohnheit aller Regierungen, verpflichtet fühlte, das Volk auszusagen, ehe es die Besitzstände der Beamten angriff, so war, wie immer, sein erster Gedanke der, welcher sich allen Ministern darbietet: aus der Steuer alles herauszuholen, was geht.
In Folge dessen brachte das Kabinett Russell eine Bill ein und das Parlament votierte sie, welche einen Zuschlag auf die Grundsteuer von 10 Prozent, auf die Zölle und die Verbrauchssteuer von 5 Prozent und auf Spirituosen von 4 Pence per Gallon bewilligte.
Ehe wir weiter gehen, ist es zweckmäßig, einen Blick darauf zu werfen, wie zu dieser Zeit die öffentlichen Abgaben des Vereinigten Königreichs verteilt waren.
Die Einnahmen beliefen sich auf ungefähr 47 Millionen Pfund Sterling.
Sie flossen aus drei Quellen: Zölle und Verbrauchssteuer, Abgaben, welche alle in beinahe gleicher Art treffen, d.h. welche in einem enormen Verhältnisse auf die arbeitenden Klassen fallen, Assessed Taxes oder Grundsteuer, welche unmittelbar die Reichen trifft, besonders in England; und Stempel, der gemischter Art ist.
Die Besteuerung des Volks brachte 36 Millionen oder 9/12 des Ganzen;
Die Besteuerung der Reichen, 4 Millionen oder 1/12 des Ganzen;
Die gemischte Besteuerung, 7 Millionen oder 2/12.
Daraus folgt, dass der Handel, die Industrie, die Arbeit, die mittleren und armen Klassen der Gesellschaft, fünf Sechsteile der öffentlichen Lasten zahlten, und dies ohne Zweifel hat Herrn Cobden zu der Äußerung veranlasst: „Wenn unser Finanzcodex für sich und ohne Kommentar auf den Mond gelangte, so bräuchten die Bewohner dieses Trabanten nichts weiter, um zu wissen, dass England durch eine Aristokratie regiert wird, die Herrin des Bodens und der Gesetzgebung ist.“
Bei dieser Gelegenheit wollen wir doch anmerken und zwar zur Ehre Frankreichs, dass während die Grundbesitzer in England nur 8 Prozent der Gesamtsteuern zahlen, sie bei uns 33 Prozent davon zahlen und überdies, in Anbetracht ihrer Zahl, eine viel größere Rolle bei den Verbrauchssteuern spielen.
Nun also sollten die von den Whigs erfundenen Steuerzuschläge einbringen:
1.426.000 | liv. st. | 5 Prozent auf Zölle und Verbrauchssteuer, Spirituosen ausgenommen |
485.000 | 4 Pence per Gallon auf Spirituosen | |
400.000 | 10 Prozent auf Grundsteuer |
Somit wurde das Volk im Verhältnis von 4/5 in Anspruch genommen, um das durch die Fehler der Oligarchie herbeigeführte Defizit zu beseitigen.
Die Bill kam 1840 zur Anwendung. Am 5. April 1841 schritt man ängstlich zur Abrechnung; und nicht ohne Verwunderung und Schrecken ermittelte man gegenüber der Einnahme des vorigen Jahres, anstatt der erwarteten Zunahme von 2.200.000 Pfd. Strl., eine Abnahme von einigen hunderttausend.
Das war ein Schock. Vergebens hatte man also das Volk mit neuen Auflagen belegt; Vergeblich wäre es, künftig zu diesem Mittel zu greifen. Die Erfahrung hatte eine bedeutende Tatsache zu Tage gefördert, nämlich dass England an der äußersten Grenze seiner Steuerkraft angekommen war und dass es für die Zukunft unmöglich sein würde, durch die Erhöhung der Auflagen ihm auch nur einen Schilling mehr abzupressen. Derweil blieb das Defizit klaffend.
Die Theoretiker, wie man sie nennt, setzten sich daran, das erschreckende Phänomen zu studieren. Es kam ihnen die Idee, dass man vielleicht die Einnahmen erhöhen könnte, indem man die Steuern herabsetzte, eine Idee, die in sich widersprüchlich scheint. Außer den theoretischen Gründen, die sie zu Gunsten ihrer Meinung anführten, gewährten einige frühere Erfahrungen ihrer Ansicht eine gewisse Bestätigung. Aber für diejenigen, die, wenn sie auch dem Faktenkult frönen, doch nicht vor den Gründen der Fakten zurückschrecken, sollten wir erwähnen, wie sie ihre Meinung unterstützten.
Der Steuerertrag auf ein Verbrauchsgut, sagten sie, ist zu dem Steuersatz und der verbrauchten Menge proportional. Wenn z.B. die Steuer eins ist und zehn Pfund Zucker verbraucht werden, so ergibt sich ein Ertrag von zehn. Dieser Ertrag steigt sowohl wenn der Steuersatz erhöht wird und der Verbrauch gleich bleibt, als auch wenn der Verbrauch zunimmt und der Steuersatz unverändert bleibt. Er sinkt, wenn die eine oder die andere Komponente abnimmt; er sinkt auch, wenn eine von beiden zunimmt und die andere in stärkerem Maße abnimmt. So ist auch wenn man die Steuer auf 2 erhöht, wenn der Verbrauch auf 4 sinkt, der Ertrag nur 8. In diesem letzten Fall ist für das Volk die Entbehrung enorm, — ohne Gewinn, ja mit Verlust für den Staatshaushalt.
Dies einmal angenommen, sind dann dieser Multiplikator und dieser Multiplikandus voneinander unabhängig, oder kann man den einen nur auf Kosten des anderen vermehren? Die Theoretiker antworteten:
Die Steuer wirkt wie alle Kosten der Produktion, sie erhöht den Preis der Dinge und bringt sie außer Reichweite für eine gewisse Zahl Menschen. Daher der mathematische Schluss: wenn eine Auflage stufenweise und immer weiter erhöht wird, so kommt eben dadurch, dass sie bei jedem Grad der Erhöhung etwas mehr den Verbrauch und das steuerbare Objekt beschränkt, notwendig ein Moment, wo der geringste Zuschlag zur Steuer den Ertrag vermindert.
…
Die Theoretiker beschränkten sich nicht auf dies arithmetische Theorem. Indem sie etwas tiefer auf die Frage eingingen, sagten sie: wenn die Regierung den traurigen Zustand der Volksressourcen besser gekannt hätte, so hätte sie nicht einen so tief beschämenden Versuch unternommen.
Wenn die persönliche Lage der Bürger konstant wäre, so würde der Ertrag aus indirekten Steuern sich gerade so wie die Bevölkerung vermehren. Wenn außerdem das Nationalkapital und mit ihm der allgemeine Wohlstand wachsen, so nimmt der Ertrag schneller zu als die Anzahl der Menschen. Endlich, wenn die Verbrauchsfähigkeit Rückschritte macht, so muss der Staatshaushalt dabei leiden. Daraus folgt, dass wenn man das Doppel-Phänomen vor Augen hat: Bevölkerungswachstum und Verminderung der Steuererträge, man doppelten Grund zu dem Schluss hat, dass das Volk fortschreitenden Entbehrungen unterliegt. In diesem Moment die Preise zu erhöhen, heißt die Bürger weiteren Entbehrungen unterwerfen, ohne irgendeinen fiskalischen Nutzen.
Wie lagen nun die Dinge im Jahre 1840?
Es stand fest, dass die Bevölkerung jährlich um 360.361 Einwohner zunahm.
Wie hätte hiernach, wenn man die persönlichen Ressourcen als konstant annimmt, der Zoll- und Verbrauchssteuerertrag sein müssen, und wie war er in Wirklichkeit? Dies ergibt sich aus folgender Tabelle:
Jahr | Bevölkerung | Verhältnismäßiger Ertrag der indirekten Steuern Pfd. | Wirklicher Ertrag Pfd. |
---|---|---|---|
1836 | 26 158 524 | 36 392 472 | 36 392 472 |
1837 | 26 518 885 | 36 938 363 | 33 958 421 |
1838 | 26 879 246 | 37 484 254 | 34 478 417 |
1839 | 27 239 607 | 38 030 145 | 35 093 633 |
1840 | 27 599 968 | 38 567 036 | 35 536 469 |
In dem wirklichen Ertrag von 1840 sind die in diesem Jahr bewilligten Zuschläge von 5 Prozent inbegriffen.
So hätte, selbst ohne jeden industriellen Fortschritt und durch die bloße Macht der Zahl, der Ertrag, welcher 1836 36 Millionen war, 1840 38 Millionen betragen müssen. Er sank auf 35 Millionen, trotz des Zuschlages von 5 Prozent, ein Ergebnis, was man aus der Abnahme der vorhergehenden Jahre hätte vorhersehen müssen. Auffallend ist, dass in den fünf früheren Jahren das Gegenteil stattgefunden hatte. Nachdem Zölle und Verbrauchssteuer herabgesetzt wurden, hatten sich die öffentlichen Einkünfte in einem Verhältnis verbessert, welches größer war, als das Bevölkerungswachstum.
Der Leser ahnt vielleicht, welche Folgerungen die Theoretiker aus diesen Beobachtungen zogen. Sie sagten dem Ministerium: Ihr könnt nicht mit Nutzen den Multiplikator (den Satz der Steuer) verstärken, ohne den Multiplikandus (das steuerbare Objekt) in größerem Maße zu schwächen; versucht, indem Ihr die Auflagen herabsetzt, die Volksressourcen zu mehren.
Das aber war ein Unternehmen voller Gefahren. Selbst einmal angenommen, dass es in einer entfernten Zukunft mit Erfolg gekrönt sein könnte, weiß man definitiv, dass Zeit erforderlich ist, ehe Steuerherabsetzungen die Lücken, welche sie hervorrufen, ausfüllen, und, vergessen wir nicht, man hatte das Defizit vor sich.
Es ging um nichts geringeres, als tiefer und tiefer in einen Abgrund zu versinken, den Kredit des alten Englands zu gefährden und die Tür zu unberechenbaren Katastrophen zu öffnen.
Eine Lösung drängte. Die Schwierigkeit überwältigte das Whigministerium. Peel trat ans Ruder.
Es ist bekannt, wie er die Aufgabe löste. Er fing damit an, eine Abgabe auf die Reichen zu legen. Er schaffte sich so Hilfsmittel, nicht allein um das Defizit zu decken, sondern auch um den momentanen Ausfällen zu begegnen, welche die Reformen, mit denen er umging, herbeiführen mussten.
Mittels der income-tax minderte er für das Volk die Last der Verbrauchssteuer und in dem Maße, wie die Liga ihre richtigen ökonomischen Ideen verbreitete, die Beschränkungen des Zollwesens. Heute würde, trotz der Abschaffung vieler Steuern und der Herabsetzung aller anderen, der Staatshaushalt, ohne die unerwarteten Notstände, die über Großbritannien hereinbrachen, in glänzender Lage sein.
Man muss anerkennen, Herr Peel hat diese finanzielle Revolution mit einer Energie und Kühnheit durchgeführt, die in Erstaunen setzen. Nicht ohne Grund bezeichnete er diese Maßregeln oft als: „Bold experiment“, als gewagten Versuch. Wir unsererseits wollen dem Ruf dieses Staatsmanns und der Dankbarkeit der arbeitenden Klassen Englands, und man kann sagen aller Länder, nicht Eintrag tun. Die Ausführung schon gereicht ihm zu Ruhm, und wir müssen bei aller Anerkennung sagen, dass die Erfindung gänzlich einem Theoretiker, einem einfachen Journalisten, Herrn James Wilson, angehört, dessen Ratschläge, wenn sie befolgt worden wären, vielleicht das Irland von 1847 retten würden, wie sie das England von 1840 gerettet haben.
…